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Ablenkungsmanöver des Innensenators

■ Keine disziplinarische Vorermittlung gegen Staatsrat von Bock

Jan Frischmuth, Chef der Bremer Staatsanwaltschaft, hat einen schweren Gang vor sich: Nach Recherchen der taz ist der Leitende Oberstaatsanwalt einer der Zeugen, die im Strafverfahren gegen den Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach gehört werden sollen. Gegen von Bock wird wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt. Nach seinem Wechsel ins Innenressort hatte Oberstaatsanwalt von Bock 171 unbearbeitete Akten in seinem Dienstzimmer liegenlassen.

Von Bock will sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Bis zum 15. November wollte sein Anwalt eine Stellungnahme einreichen. Doch bis heute hat Kirsten Graalmann-Scheerer keine Post bekommen. Seit einem Jahr ermittelt die Leitende Oberstaatsanwältin in der Sache. Das hat ihr jetzt die Schelte von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) eingetragen. Ihm ist die Doppelfunktion Graalmann-Scheerers als Pressesprecherin der Behörde und als Staatsanwältin ein Dorn im Auge. Sie dürfe sich nicht äußern, so Borttscheller, da sie sich sonst dem „Verdacht der Befangenheit“ aussetze. Die als vorsichtig geltende Graalmann-Scheerer hütet sich allerdings davor, etwas über das Verfahren zu sagen.

Borttschellers Seitenhieb auf die Staatsanwältin wird behördenintern als Ablenkungsmanöver gewertet: Als jetziger Dienstherr von Bocks könnte er disziplinarische Vorermittlungen gegen seinen Innenstaatsrat einleiten. Daß er es nicht tut, sorgt für Verwunderung. „Der Senator sieht dazu keinen Anlaß. Das wird üblicherweise nur nach Abschluß des Strafverfahrens gemacht“, entgegnet Borttschellers Sprecher Stefan Luft. „Wir haben etliche Verfahren, in denen die Vorermittlungen unabhängig vom Strafverfahren eingeleitet werden“, sagt ein Mitarbeiter der Senatskommission für das Personalwesen dazu. „Wenn ein solcher schwerer Verdacht wie der der Strafvereitelung im Amt im Raum steht, werden die Vorermittlungen allein schon eingeleitet, um nicht den Verdacht aufkeimen zu lassen, man wolle einen Beamten schützen.“

In der Tat ist es nicht das erste Mal, daß sich Borttscheller vor seinen alten Schulfreund von Bock stellt. Oberstaatsanwalt von Bock war Ende des vergangenen Jahres ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Er hatte einen Bürgerschaftsabgeordneten, gegen den wegen sexueller Nötigung ermittelt wurde, zu einem inoffiziellen Gespräch in seinem Dienstzimmer empfangen und über dieses Gespräch keinen Vermerk geschrieben. Borttscheller sah auch damals keinen Anlaß für disziplinarische Vorermittlungen und tat den Vorfall als „Kleinigkeit“ ab. Sollte es jetzt gegen von Bock wegen Strafvereitelung im Amt zur Anklage kommen, wird Borttscheller dies wohl kaum als Bagatelle abtun können. kes

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