piwik no script img

Medial verwirrt: HAMburger Mediendebatte

Die Frage klingt rhetorisch: „Verändert Multimedia die Kulturrezeption und -produktion?“ Doch die Hamburgische Gesellschaft für Neue Medien, der im Stadtstaat verantwortliche Medienkontrolleur, meinte sie bei ihrer neunten „HAMburger Mediendebatte“ durchaus ernst. Eine neue Strophe im endlosen Klagelied von der siechenden Leselust?

Dazu kam es nicht – hauptsächlich, weil Referenten und Publikum sich gegenseitig so viele Fragen stellten, daß für Antworten kaum Zeit blieb. Da half es wenig, daß Informatik-Professor Herbert Kubicek per Tageslichtprojektor die Bedeutung von Multimedia erklärte und mit der optimistischen These garnierte: Jedes neue Medium hatte mit Skepsis zu kämpfen. Die Prognosen vom Mord an bestehenden Medien waren immer falsch – warum sollte es bei Internet und Pay TV anders sein?

Diese Behauptung an sich wäre ein Gespräch wert gewesen. Sie geriet jedoch in Vergessenheit, als Kubiceks Podiumsnachbar redete. „Nicht das Wort, sondern das Bild befindet sich in einer Krise“, plädierte der Berliner Schriftsteller F.C. Delius. Im Fernsehen folge eine Optik so geschwind auf die nächste, daß nicht der Inhalt der Bilder erinnert werde, sondern ihre Farben und Bewegung. „Es bleibt das bunte Nichts“, resümiert Delius. Literatur könnte dazu ein Gegengewicht bilden.

So weit, so hoffnungsvoll. Leider sprach Delius nicht über Neue Medien, sondern über das Fernsehen und entfachte damit mehrere Diskussionen zugleich: Kosten Boulevardmagazine viel Geld? Warum sind Talkshows und Soaps so beliebt? Ist Fernsehen langweilig und böse?

Ob man jetzt endlich über Multimedia reden könne, erkundigte sich ein Zuschauer schließlich und brachte die Diskussion zurück zum Thema. „Ich würde gerne mehr darüber wissen, was in den Neuen Medien los ist“, pflichtete Spiegel-Redakteur Nikolaus von Festenberg bei. Das könnte er von seinen Zuhörern lernen: Der größte Teil des Publikums wußte mehr über die Neuen Medien als die aufs Fernsehen fixierten Festenberg und Delius.

Wie sich die Kulturrezeption durch Multimedia ändert, stand nach zwei Debattenstunden nicht fest. Daß diskutiert werden muß, ist klar. Nur sollte man sich vor der nächsten Debatte einigen, worüber genau gesprochen wird. Judith Weber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen