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Pfade durch die Informationsflut

■ Neues Programm aus Bremen erkennt Bilder ganz automatisch / Uni übertrumpfte selbst Software-Giganten

Ohne nützliche Hilfsmittel würde sich in der sogenannten „Informationsgesellschaft“ schon bald keiner mehr zurecht finden. Denn seit der Computer in Verwaltung, Archiven und Industrie zum Werkzeug schlechthin geworden ist und längst auch in den Privathaushalten Einzug gehalten hat und hält, nimmt die Fülle von digitalisierten Informationen schier überhand. Ein Glück deshalb, daß es unter den InformatikerInnen auch Menschen gibt, die nichts anderes tun, als eine Ordnung in die Flut aus Worten und Bildern zu bringen.

Seit Mai 1995 firmiert eine solche Gruppe von modernen PfadfinderInnen unter dem Namen „Technologie-Zentrum Informatik“ oder kurz TZI im Fachbereich 3 der Bremer Universität. Das mittlerweile auf einen Stab von zehn Professoren und 60 wissenschaftlichen MitarbeiterInnen angewachsene Institut hat sich voll und ganz der anwendungsorientierten Forschung verschrieben. Dazu zählt auch der Bereich Bildverarbeitung, dessen Angestellte im Auftrag und mit Geld des Computerriesen IBM nach monatelangem Grübeln und Programmieren jetzt ein Werkzeug namens „ImageMiner“ zur Anwendungsreife gebracht haben.

Was nach militärischer Nutzung klingt, ist tatsächlich ein Programm zur Analyse von Bildern. So wie das Surfen im Internet ohne die Suchmaschinen schon bald zu einer trostlosen Angelegenheit mutieren würde, soll „ImageMiner“ fortan dazu dienen, selbst in riesigen Bildarchiven schnell auf den Punkt zu kommen. Denn dank der Neuentwicklung aus der Hansestadt gelingt es, ein Bild in Text zu übersetzen, was nach Angaben von Fachleuten in dieser Form ein regelrechter Durchbruch sein soll. In keiner anderen Universität und nichtmal in den hauseigenen Softwareschmieden sei das bisher gelungen, erklärte der Bremer IBM-Chef Rolf E. Kirchhoff gestern.

Texte machen den InformatikerInnen das Leben noch halbwegs leicht. Beim Zugriff auf die taz-CD-Rom etwa genügt die Eingabe „Bremen und Klaus und Hübotter“, und sekundenschnell werden alle Texte ausgespuckt, die in den letzten zehn Jahren zu diesem Suchkriterium erschienen sind. Bei einer Bilderdatenbank ist die Suche aber sehr viel zeitraubender, wenn in der digitalen Kartei nicht auch eine Kurzbeschreibung des Bildinhalts angeschlossen ist. Genau hier setzt das Bremer Programm an.

Die EntwicklerInnen aus der Uni mußten zunächst die Frage beantworten, was ein Bild überhaupt ist und wie die Informationen auch für eine blinde Maschine erkennbar gemacht werden können. Denn während das menschliche Auge sofort zwischen einem Faltenwurf von Kleidung und einem Gebirge unterscheiden kann, ist ein Bild für einen Rechner bloß vollgestopft mit unterschiedlichen Farb- oder Grauwerten, mit Konturen und Strukturen. Dieses Problem konnten auch die BremerInnen nicht ganz aus der Welt schaffen, doch immerhin haben sie es einigermaßen listig umschifft.

Ihr Analyseprogramm wertet ein Bild nach den Kritirien Farbe, Textur und Kontur aus. Anschließend werden die Ergebnisse Bedeutungen zugeordnet. Um den Faltenwurf vom Gebirge unterscheiden zu können, müssen die allerdings vorher definiert werden. Läßt man den „ImageMiner“ etwa mit den Kriterien „Wald“ und „Himmel“ aufs Internet oder auf eine Datenbank los, kann man sich ziemlich sicher sein, die gewünschten Bilder zu sehen zu bekommen.

In Sachen konkreter Anwendung offenbaren sich nach Angaben der Informatikerin Jutta Kreyß ungezählte Möglichkeiten. Angefangen bei der digitalen Bildersammlung eines Museums bis hin zur Werbeagentur sei das Bremer Suchprogramm einsetzbar. Und weil sich nicht nur archivierte Fotos, sondern auch technische Zeichnungen analysieren lassen, kann etwa ein Architekt mit dem Auftrag, ein Haus mit Atrium zu bauen, per Mausklick auf ähnliche Entwürfe in seinem bisherigen Lebenswerk zugreifen. Vorausgesetzt, seine Zeichnungen sind auf einem Rechner erfaßt. ck

Demo-Version für Unix im Internet unter der Adresse http://tzi.uni-bremen.de/bv/imageminer ; eine Windows-Version ist angekündigt

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