: Spiel auf Zeit
■ Italiens Justiz will Priebke loswerden – so oder so
Das Hickhack um die Zuständigkeit im Prozeß gegen den SS-Mann Erich Priebke hat auf den ersten Blick abstruse Züge: Das Militärtribunal, das den Mann wegen der Erschießung von 335 zivilen Geiseln für schuldig, aber wegen Verjährung für nicht verfolgbar erklärte und damit massive Proteste in aller Welt auslöste, will die Verantwortung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit hinüberschieben. Diese aber hat jetzt dankend abgelehnt. Die Frage, ob die SS eine militärische oder eine politische Formation war, ist dabei willkommener Vorwand für Nichtentscheidung – jedenfalls hat bisher keines der Gerichte in Deutschland nach der Einordnung der SS gefragt.
Tatsächlich warten die Militär- wie die Zivilrichter hoffnungsvoll auf eine weitere anstehende Entscheidung: Ob man Priebke nach Deutschland ausliefern könne, denn von dort liegt ein Ersuchen wegen Kriegsverbrechen vor. Das italienische Verfassungsgericht muß prüfen, ob das Auslieferungsabkommen verfassungskonform ist. Befindet es den Vertrag als korrekt, könnte Priebke ausgeliefert werden – was er mittlerweile auch selbst wünscht. Zuvor hatte er sich einer Auslieferung widersetzt, weil er – zu Recht, wie sich zeigte – in Italien mit Freilassung rechnete. Doch inzwischen ist ihm klargeworden, daß ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch ohne Wenn und Aber erwartet, sollte es in Italien noch einmal zum Prozeß kommen. Und das hieße dort: lebenslänglich. Die deutsche Justiz ist da seit jeher wesentlich milder gestimmt, mit ein paar Jahren Haft und baldiger Haftverschonung wegen hohen Alters davonzukommen, wäre durchaus möglich. Jedenfalls wären die Italiener den Schwarzen Peter endlich los.
Daß die römische Justiz dieses Spiel mit verteilten Rollen treibt, ist durchaus üblich – nicht umsonst gilt die Justiz der Hauptstadt seit jeher als Hort von Verfahren, bei denen am Ende nichts herauskommt. Das Vorgehen ist immer dasselbe: Zuerst zieht Rom die Fälle an sich, dann schiebt man sie so lange hin und her, bis sie verjährt, die Angeklagten abgehauen, abgeschoben oder verstorben sind. Im Falle des bald 84 Jahre alten Erich Priebke können die römischen Richter zumindest auf eine der zwei letztgenannten Möglichkeiten hoffen. Werner Raith
Bericht Seite 8
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