Muskelspiele jetzt multiplexmäßig

Mit dem heute eröffneten „Kosmos Ufa-Palast“ nimmt an der Karl-Marx-Allee das erste Multiplex-Kino der Stadt den Betrieb auf. Umbau des DDR-Kinos in nur neun Monaten  ■ Von Rolf Lautenschläger

Als die Lichter im Saal 3 erlöschten, sich der Vorhang öffnete und der Trailer im Dolby SR Digitalton über die große Leinwand flimmerte, huschte ein Lächeln über das Gesicht von Volker Riech. Er hatte es wieder einmal geschafft, der Erste zu sein. Und das in Berlin, wo der Markt der Filmtheater einem Haifischbecken gleicht – in dem Riech freilich auch zu den Räubern zählt.

Nach nur neun Monaten Bauzeit eröffnet der Kinomogul heute mit dem „Kosmos Ufa-Palast“ das erste Multiplex-Kino in der Stadt. In einem wahren Kraftakt ließ Riech das denkmalgeschützte Filmtheater an der Karl-Marx-Allee für 55 Millionen Mark von bisher rund 1.000 Plätzen auf insgesamt 3.400 aufblasen. Und das nicht ungeschickt. Damit der bestehende Rundbau von Josef Kaiser, der das Kosmos 1960 im Stil der Klassischen Moderne mit Nierentischcharme plante, nicht unter Neubaumassen begraben wird, legten die Architekten Beckmann & Partner (Düsseldorf) die neun Säale in einem unterirdischen Kranz um den Altbau.

Wer jetzt das Foyer betritt, gelangt geradeaus in den großen Saal und links sowie rechts in einen gläsernen Rundgang, der zu den einzelnen Kinos führt. Alt- und Neukino sind so über die runde Erschließung miteinander verbunden. Eine Einheit bilden sie dagegen nicht. „Die Erweiterung des Kinos sollte die Architektur des Kosmos-Kinos nicht zerstören“, meinte die Ufa-Pressechefin Tanja Güß, „sondern die Spannung im Kontrast zwischen beiden Bauten zeigen.“

Zur Rückseite hin ist auf einer terrassierten Dachlandschaft ein Café samt Biergarten geplant. Unter dem Vorplatz entsteht eine Tiefgarage mit 150 Stellplätzen. „Viel zuwenig“, wie Reich findet. „Da haben wir den Ansprüchen des Bezirks Friedrichshain nachgeben müssen.“ Dennoch ist es Riech und seinem Kosmos-Geschäftsführer Friedhelm Meinert nicht ganz gelungen, die Traumfabrik Kino ins Kosmos zu holen. Zwar ist die Technik der computergesteuerten Projektionsmaschinen in der Lage, die Zuschauer mit Mega-Sound und brillanter Bildqualität die Realität vergessen zu lassen. Doch von den Illusionsräumen der einstigen Flimmerpaläste sind die Kinosäle weit entfernt. Sie erscheinen zwar nicht so muffig, wie die Schachtelkinos. Aber eine blaue Wandbespannung, diffuses Licht an den Wänden und dunkle Sitze allein tun es auch nicht.

Für den Charme der großen alten Kinozeit muß darum der alte Kinobau und das keramikverkleidete Foyer herhalten. Aber während die Architekten die Frontseite und die gläserne Eingangshalle erhalten und mit ein paar modernen Accessoires der Zeit anpassen, wird im Innern des ovalen Kinosaals wohl doch herumgepfuscht: Den Saal hatte Kaiser mit einem silbrigen Vorhang, sachlicher Bestuhlung und einer wellenförmigen Wandbespannung aus Plastik ausgestattet, um einen Hauch von Schnittigkeit und Dynamik des sozialistischen Kulturpalastes zu symbolisieren.

Den denkmalgeschützen Vorhang will Riech erhalten. „Doch die Bestuhlung, den Bodenbelag und die Wandbespannung werden wir bei der Modernisierung im Januar herausnehmen“, sagte Güß. Es sei vorgesehen, die Wellen als Stoffbespannung wiedererstehen zu lassen. Das derzeitige Material genüge nicht mehr den Brandschutzbestimmungen.

Die Denkmalpfleger sehen das anders. Für sie bedeutet das Kino ein Stück Kulturgeschichte der DDR, das jetzt „der Feuerwehr, dem bequemen Sitzen und der Technik geopfert wird“. „Star Trek“- und „Jurassic Park“-Fans verlangen wohl danach. Für sie spielt Denkmalschutz keine Rolle, solange Arnold Schwarzenegger nur die Muskeln multiplexmäßig spielen läßt.