: Wenn auf Berlins Straßen nur noch Taxis fahren...
■ Der Sprit- und Flächenverbrauch in der Stadt könnte enorm sinken, wenn der Nahverkehr mit individuellen und zugleich öffentlichen Autos abgewickelt würde
Die Idee ist ganz einfach: Wir ersetzen die Privatautos in Berlin durch eine Taxiflotte. Ansonsten bleiben die Rahmenbedingungen in unserem Gedankenspiel gleich. Alle Berlinerinnen und Berliner bleiben genauso automobil, wie es der größte Teil von ihnen gewohnt ist. Aber es gibt einen großen Unterschied: Wir benötigen dafür lediglich einen Bruchteil der derzeitigen Fahrzeugmenge.
Das spart nicht nur viel Platz und Parkplatzsuchverkehr. Ein Taxipark läßt sich auch leichter mit neuester Filtertechnik ausstatten. Die Katalysatoren haben meistens die notwendige Betriebstemparatur, weil die Motoren viel laufen. Statt der jetzt 23 Stunden, die ein Privatwagen heute pro Tag nutzlos steht und die Straßen verstellt, werden die Taxen nur acht Stunden täglich außer Betrieb sein. Wir hätten also die Zahl von Fahrzeugen, die wie benötigen, statt massenhafter Stehzeuge.
Wie sieht eine solche Rechnung der kompletten Substitution nun aus? Gehen wir von derzeit jährlich 18 Milliarden Personenkilometer in Berlins 1,3 Millionen privaten Pkw aus, die ersetzt werden sollen. Dagegen stehen aktuell 7.200 Droschken mit einer Jahresleistung von 400 Millionen Personenkilometern. Nehmen wir zugleich an, daß die Taxen statt bisher 20 Minuten Fahrzeit pro Stunde bei höherer Nachfrage auf 40 Minuten kommen. Mit Hilfe von Sammelpunkten auf Hauptverbindungsstrecken könnte man realistischerweise den Besetzungsgrad von im Schnitt jetzt 1,5 auf zwei Personen pro Fahrt erhöhen. Ergebnis dieser unterschiedlichen Rechnungen sind 110.000 Fahrzeuge. Das ist ein Dreizehntel jener Blecharmada, die heute den Lebensraum blockiert.
Aber was kostet das Taxifahren für alle? Dank höherer Auslastung sinkt in unserer Modellrechnung der Kilometerpreis mit dem Taxi von über zwei auf eine Mark. Das würde aus Betreibersicht immer noch einen ordentlichen Ertrag abwerfen. 18 Milliarden Personenkilometer kosten bei einer durchschnittlichen Belegung von zwei Personen pro Fahrt insgesamt neun Milliarden Mark. Das entspricht ziemlich genau der Summe, die von der Berliner Autofahrerschaft auch jetzt ausgegeben wird. Diese ergibt sich, wenn man von realistischen 60 Pfennig pro Fahrzeugkilometer (Sprit, Wartung, Abschreibung inbegriffen) und der durchschnittlichen Besetzung von 1,3 Personen ausgeht.
Das Konzept würde im übrigen trotz der radikalen Kappung des Fahrzeugbestandes nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze bedeuten. Schließlich wären ungefähr 250.000 Fahrerinnen und Fahrer nötig, um den permanenten Taxibetrieb gewährleisten zu können.
Bei einem Mix – Förderung des nichtmotorisierten Verkehrs, des öffentlichen Verkehrs und der Taxen – wären die Ergebnisse natürlich noch besser. Winfried Wolf
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