■ Vorschlag: Gayle Tufts "A Foreign Affair!" als Show im Theater am Halleschen Ufer
Seit sechs Jahren lebt diese US-Amerikanerin schon in Berlin, und mit ihrem Deutsch hapert's immer noch. Zum Glück. Denn: Gayle Tufts weiß sich zu helfen und bastelt aus beiden Sprachen eine neue, mit der sie ganz gut zurechtkommt. So gut, daß wir Zuschauer und Zuhörer sowohl das Englische wie das Deutsche mit ganz neuen Ohren hören. Während die Verständigung also inzwischen klappt, heißt ihr neues Problem Steuernachzahlung. Vielleicht ist das mit dem Titel „A Foreign Affair!“ gemeint. Einen Ausweg sieht sie nur in einer Zweckgemeinschaft mit ihrem schwulen Pianisten Rainer Bielfeldt: „Verlobt aus steuerlichen Gründen“, singt sie zum Auftakt, denn „Life is cheaper zu zweit“. Das wird zum roten Faden durch diesen von Beginn an mit Verve inszenierten Abend (Regie: Thomas Herrmans). Ihre zweite große Erkenntnis zum Leben in Berlin: „Höflichkeit ist illegal.“ Zielsicher, mit dem Humor der erfahrenen Entertainerin und Stand-up-Comedienne, entlarvt sie deutsche Merkwürdigkeiten. Wieso, zum Beispiel, können deutsche Mütter ihre Kinder bis ins hohe Alter mit selbstgekochter Marmelade versorgen, die das Zeug dann doch im Kühlschrank schimmeln lassen? Trotz aller Sympathie für das hiesige Volk – einen Menschen haßt Gayle Tufts bis auf den Tod. „Konrad Duden must die“, singt sie und läßt, weil's der Gospelsound einfach verlangt, das Publikum verschwörerisch mit einstimmen: „The Devil with the Genitiv“.
Gayle Tufts Comedy-Conferencen ziehen ihren Witz aus der aufmerksamen, stets schrägen Alltagsbeobachtung. Ganz gleich, ob sie aus der Nähe auf das Fremde (Berlin, Deutschland) oder von der Fremde aus in die alte Heimat (USA) blickt: Sie entdeckt Kuriositäten des gewöhnlichen Lebens. Ob der Trend zum Supersilikonbusen à la Pamela Anderson oder zur Gebärfreudigkeit („Babys sind wie Handys: Statussymbole für Leute mit sonst nichts zu tun“) – aus Gayle Tufts spricht die selbstbewußte Frau, die nie ihren Schalk aus dem Nacken und den Hang zur (Selbst-)Ironie verliert.
Ohne Rainer Bielfeldt wäre der Abend jedoch nur der halbe Erfolg. Er ist ihr Duettpartner und Pianist, vor allem aber respektabler Komponist. Bis auf wenige Ausnahmen stammen alle Lieder aus seiner Feder: eingängige, warme Harmoniefolgen, die nach der zweiten Strophe zum Ohrwurm werden; federleichte Kompositionen, an american standards und klassischen Popballaden geschult, soft wie Elton John oder jazzig mit einem Hauch Cole Porter.
Wenn dann zum Schluß Gayle Tufts zu Marianne Rosenberg mutiert und mit scheppernd-quiekiger Stimme deren Version von „Stand by yor Man“ singt, und die Discokugel glitzert durch das Licht der blutroten Scheinwerfer ... ach, da wird's romantisch-kitschig, und aus der „Foreign Affair!“ wird dann doch noch eine richtig deutsch-amerikanische Freundschaft und musikalische Völkerverbindung: Das Liedgut aus beiden Welten verschmilzt, daß einem das Herz aufgeht. Einfach schön. Wirklich! Axel Schock
Theater am Halleschen Ufer, wieder 26. bis 29.12. und 2. bis 5.1., jeweils 21 Uhr
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