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"Weil ich Züge mag"

■ Filmkritik im Selbstversuch und ganz nah dran am lebenden Objekt: Victor und Hanna haben sich den italienischen Zeichentrickfilm "Der blaue Pfeil" angesehen

„Der blaue Pfeil“ erzählt die Geschichte einer Horde Spielzeug mit vorbildlicher Berufsauffassung, das sich lieber selbst verschenkt, als einen Bösewicht reich zu machen. Die Zeichnungen kommen im naiven Tim-und-Struppi-Outfit daher und versuchen erst gar nicht, mit poppigen Disney-Produktionen zu konkurrieren. Filmisch hat man sich einiges einfallen lassen und verwegene Kamerafahrten eingebaut, die man sonst aus Zeichentrickfilmen nicht kennt. Dafür ist die Geschichte recht humorlos, tapfer weht das Fähnlein mit den guten alten Familienwerten. Hanna (8) und Victor (9) waren trotzdem gebannt.

Hat es euch denn gefallen?

(unisono) Ja.

Mehr fällt euch dazu nicht ein?

Hanna (kichernd): Nee.

Victor (macht große Augen): Doch, ich fand den blauen Pfeil besonders gut.

Den Zug?

Victor: Den Zug also.

Warum?

Victor: Weil ich Züge mag und ein Eisenbahn-Fan bin.

Hanna (kichert)

Was habt ihr denn nicht verstanden?

Hanna: Gar nichts.

Victor (kichert)

Könntet ihr denn die Geschichte kurz erzählen?

Hanna (unkonzentriert): Also, da war so ein kleiner Junge, der hat sich den blauen Pfeil gewünscht. Deswegen ist er dann in den Laden gegangen und hat gefragt, kann ich den blauen Pfeil da haben. Dann hat er noch erzählt, daß sein Vater gestorben ist, und dann wurde der Mann ganz böse, und dann hat man erst mal mitgekriegt, daß die ... wie heißt die noch mal?

Victor (trocken): Weiß ich nicht mehr.

Ich glaube, die hieß Befana.

Hanna: Da hat man dann mitgekriegt, daß die ... die Hexe da, oder was das war ...

Victor (energisch): Die Fee! (leise zu Hanna gebeugt) Wie hieß die noch mal?

Hanna: Be-fa-na! Dann hat sie mitgekriegt, daß die Spielzeuge weg sind, und dann ist das Schild von ihrer Medizin abgefallen, und da stand dann Gift drauf. Die Spielzeuge wollten den Jungen überraschen ...

Victor (auch unkonzentriert): Aber dann haben sie die Spur von ihm verloren, der Hund. Dann kam noch dieser böse Mann, der hatte von der Befana den Besenstiel gekriegt und ist damit immer geflogen und wollte die Spielzeuge suchen. Dann hat er sie gefunden, und dann kam der kleine Hund und hat ihn gebissen und dann hat er seinen Arm in die Mülltonne gesteckt ...

(beide lachen)

Hanna: Ja, das war total komisch.

(Im weiteren werden noch mehr lustige Szenen nacherzählt und belacht.)

Was hat euch denn besonders gut gefallen?

Victor (guckt indigniert): Das hab ich doch gesagt, der Zug.

Hanna: Der Hundi.

Wie hieß der denn?

Hanna (unsicher): Schnüffi ...

Victor: Schnüffel!

Ich seh mal nach... Schnuffel! Aber wie hat euch der Junge, der Francesco, gefallen?

Hanna (wenig begeistert): Ganz gut.

Victor (sinkt auf dem Tisch zusammen): Auch ganz gut.

Und wer hat euch nicht so gefallen?

Hanna (wieder aufmerksam): Der Böse.

Victor (immer noch auf dem Tisch): Genau!

Warum?

Victor (nun wieder bei der Sache): Weil er immer so ganz böse war und immer Geld haben wollte und die Befana austricksen wollte und vergiften wollte.

Hanna: Ja, der war geldsüchtig.

Hat euch gefallen, wie der Film gezeichnet war?

Victor: Ja, ich finde Zeichentrickfilme immer schöner als ... (stockt)

Hanna: Schauspieler.

Victor: Ich kenn' auch noch einen Schauspielerfilm. Tarzan hab ich geguckt. Da haben sie einen Pfeil durch den Hals geschossen und dann durch den Bauch durch.

Hanna: Iiih.

Hattet ihr denn manchmal Angst?

Victor (gedehnt): Naa jaa, manchmal dachte ich, es passiert was Schlimmes. Manchmal krieg ich mitten im Film Angst und denke, das passiert wirklich und so, aber das war nicht so oft. Wo der Zug kam und die alle gezittert haben, das fand ich so lustig

Hanna (guckt verwirrt)

Victor: Und als dann der Mast umgefallen ist ...

Hanna (verwundert): Was für 'n Mast?

Victor (entrüstet): Na, der Strommast. Und der Vater eben rausgegangen ist und sie so geguckt haben, und der Zug kam und der Junge dann mit der roten Fahne geweht hat und der Zug kurz bei ihnen angehalten hat – oooh, das fand ich am schönsten.

An der Stelle konnte man aber leicht Angst kriegen, daß das Spielzeug von dem richtigen Zug überfahren wird.

Victor (gelangweilt): Ach, ich konnt' es mir schon denken, daß sie nicht überfahren werden.

Warum warst du da so sicher?

Victor (immer noch gelangweilt): Ach, weil ein Film immer gut ausgehen möchte.

Hanna (auch noch da): Ich hab mal einen Film gesehen, wo der Böse am Leben geblieben ist. Bezugsperson: Thomas Winkler

„Der blaue Pfeil“, von Enzo D'Alò, Musik: Paolo Conte, Italien 1996, 90 Min

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