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Betr.: Kaufrausch

Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich kaufe. Eigentlich schon, so lange ich denken kann. In der Schulzeit waren die Dinge noch ganz klein, unauffällig. Mein Taschengeld steckte ich in das neue Federmäppchen aus Schweinsleder oder in die taubenblaue Buchstütze aus Plastik. In den Spitzer, der aussah wie ein Globus, aber schlechter anspitzte als der alte. Oder in die durchsichtige Wasserpistole mit verstellbarer Düse. Süßigkeiten interessierten mich nicht. Es mußte schon etwas Haltbares sein.

Mit den Jahren geriet die Sache langsam außer Kontrolle. Ich brauchte Teureres, Größeres, um das gleiche Glücksgefühl zu spüren: Diese unvergleichliche Befriedigung, etwas jetzt, sofort zu besitzen. Die berauschende Vision, daß sich mein Leben in diesem Moment ändert, weil ich fortan genau jene englischen Schuhe tragen oder meinen Tee nun aus dieser dänischen Teekanne aus Glas trinken werde. Momentan liegt meine Dosis bei ungefähr 150 bis 200 Mark pro Kick. Vor fünf Jahren genügte noch ein Lambswool- Wullover im Sonderangebot bei Karstadt für 69,90 Mark, um es für zwei, drei Wochen ruhigzustellen. Heute hielte das höchstens bis nächsten Samstag.

Der Thrill besteht darin, etwas zu kaufen, das im Prinzip unerreichbar ist. Viel zu teuer, und außerdem braucht man es gar nicht. In meinem Nachtschränkchen liegen zum Beispiel schon neun Quarzarmbanduhren. Trotzdem könnte es durchaus sein, daß ich schon heute im KaDeWe eine zehnte Uhr kaufe. Dafür übernehme ich keine Garantie. Der Drang kommt ganz unvermittelt, schnell. Sehen und kaufen – das ist praktisch eins.

Im Advent ist es eigentlich besser. Da kann ich ersatzweise etwas für andere kaufen. Das macht zwar nicht ganz so glücklich. Aber ich habe wenigstens das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben. Klaudia Brunst

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