: Guerilla in Peru stellt Ultimatum
■ Japan und Peru sind tief zerstritten über den Umgang mit der Geiselkrise. Noch 380 Geiseln sind im Gebäude. US-amerikanische Spezialeinheiten sind in Lima eingetroffen. Ecuador bietet Geiselnehmern politisches Asyl an
Lima/Tokio (AFP/dpa/taz) – Die linksgerichteten Guerilleros, die in Lima 380 Geiseln in ihrer Gewalt haben, haben gestern ein Ultimatum gestellt. Die Verhandlungen mit der Regierung müßten bis Samstag beendet sein, forderten sie in einer Botschaft in japanischer Sprache, die aus einem Fenster der Botschafterresidenz gehalten wurde. Zunächst war unklar, ob das Ultimatum zu einer bestimmten Uhrzeit auslaufen soll.
Am dritten Tag der Geiselnahme ist eine Verhandlungslösung unwahrscheinlicher geworden. Die peruanische Regierung beschloß nach Meldungen des Rundfunksenders RPP, der Forderung der Guerilleros von der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) nach Freilassung ihrer inhaftierten Genossen nicht nachzugeben. Das Kabinett unterstützte aber die Entscheidung von Präsident Alberto Fujimori, die Verhandlungen fortzusetzen. Worüber unter diesen Umständen aber verhandelt werden sollte, blieb unklar.
Inzwischen sind US-amerikanische Spezialeinheiten in Peru eingetroffen. Um allerdings die Residenz des Botschafters gewaltsam zu stürmen, brauchte Präsident Fujimori die Einwilligung Japans, da das Grundstück extraterritorial ist.
Nach japanischer Darstellung gab es zwischen Tokio und Lima gravierende Meinungsunterschiede über das weitere Vorgehen. „Es besteht eine tiefe Kluft zwischen den Auffassungen Japans und Perus“, sagte Japans Regierungssprecher Seiroku Kajiyama in Tokio. Japan nahm bei Geiselnahmen bislang eher eine nachgiebige Haltung ein. Er räumte auch Differenzen mit anderen Ländern ein.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die Geiselnahme in scharfer Form und verlangte die Freilassung der Geiseln. Die Botschaftsbesetzung sei ein Angriff auf die gesamte internationale Gemeinschaft, hieß es in einer von den 15 Mitgliedsländern des Rates einstimmig angenommenen Erklärung. Der Nachbarstaat Ecuador, mit dem Peru 1995 einen kurzen Grenzkrieg führte, bot den MRTA-Guerilleros Asyl an, falls sie aus Peru ausgewiesen werden sollten.
Bei der Sitzung des peruanischen Kabinetts erstattete der Vermittler der Regierung, Erziehungsminister Domingo Palermo, laut RPP ausführlich Bericht über die Entwicklung in der Geiselkrise. Nicht ausgeschlossen war dem Radio zufolge, daß es im Rahmen einer „Gesamtlösung“ zu einer Änderung der bisher von Fujimori verfolgten harten Linie gegenüber den Guerilleros der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru kommen könnte. Denkbar wäre, bei Prozessen das System der maskierten Richter „ohne Gesicht“ abzuschaffen.
Nach Angaben des Roten Kreuzes befanden sich Freitag abend noch 380 Menschen in der Residenz des japanischen Botschafters. „Wir versuchen die Geiseln zu beruhigen, sie dazu zu bringen, sich auszuruhen und zu schlafen, damit sie bei Kräften bleiben“, sagte der Sprecher. Die auf engem Raum zusammengedrängten Menschen würden mit Wasser, Nahrungsmitteln und Toilettenartikeln versorgt.
Ein Arzt, der in das Gebäude eingelassen wurde, erklärte, die Geiseln hätten einen ruhigen Eindruck gemacht. Die Gefangenen seien auf mehrere Räume aufgeteilt worden, berichtete der Mediziner Marc Cortal vom Roten Kreuz. Sie wirkten gesund, jedoch fehle es an Toiletten und Waschgelegenheiten. Cortal wirkte an der Verteilung von Lebensmitteln, Wasser, Zahnbürsten und Medikamenten mit.
Die peruanische Regierung war nach Erkenntnissen der New York Times mehrmals über geplante Geiselnahmen der Tupac-Amaru-Gruppe informiert worden. Dies gehe aus Dokumenten der MRTA hervor, die abgefangen wurden, berichtete das Blatt. Siehe auch Bericht Seite 6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen