■ Die OSZE überprüft die Wahlfälschungen in Serbien
: Taktisch, halbherzig, unentschlossen

Die OSZE hat sich in Belgrad bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Sie ist gar im Begriff, ihr Ansehen als unparteiischer Vermittler aufs Spiel zu setzen. Natürlich ist es legitim, eine Delegation unter hochrangiger Führung nach Belgrad zu entsenden, um Daten zu sammeln, die Kontrahenten anzuhören und anschließend der OSZE-Präsidentschaft einen Bericht zur Entscheidung vorzulegen. Schwerer wiegt aber die vorgebliche Blauäugigkeit, mit der die OSZE-Delegation ans Werk gegangen ist. So zeigte sich die Delegation nach Angaben des Zajedno-Führers Vuk Draskovics „schockiert“ über das Ausmaß der Wahlfälschungen in Belgrad. Gerade so, als sei ihr entgangen, daß selbst die offizielle staatliche Wahlkommission dem Oppositionsbündnis zwei Tage nach der Wahl vom 17. November in Belgrad offiziell den Sieg mit 60 von 110 Sitzen zuerkannt hatte. Präsident Milošević hingegen ließ seelenruhig verlauten, daß die OSZE die verzerrten Darstellungen jetzt endlich zu seinen Gunsten zurechtrücken werde.

Doch die Blauäugigkeit hat Methode. Beide Seiten hätten gute Gründe für ihre Argumente, meinte Delegationschef Felipe González im nachhinein. Eine solche Haltung zielt nicht auf die Klärung der Frage, wer wann wo und wieviel gefälscht hat. Sie dient lediglich dazu, die Botschaft zu transportieren, daß beide Seiten ein wenig nachgeben müßten, um zu einem Kompromiß zu kommen. Ein Kompromiß würde allerdings nur die Hunderttausende von Demonstranten für ihre aufrechte Haltung bestrafen und mit Hohn überschüttet.

Der SPD-Politiker Freimut Duve hat von der Regierung Milošević klipp und klar die Anerkennung der Wahlen gefordert. Ohne diese Anerkennung könne es keinen runden Tisch geben, um über Fragen wie Zugang zu den Medien oder Unabhängigkeit der Gerichte zu verhandeln. Und der US-Gesandte Kornblum macht um Belgrad vorläufig einen weiten Bogen. Für ihn ist Milošević kein stabilisierender Faktor mehr. So klare Worte würde man auch gern von den Europäern hören.

In der Frage der Wahlannullierung gibt es keinen gerechten Kompromiß. Denn dieser wäre für Milošević ein unverdienter Sieg, für die Opposition eine halbe Niederlage, die ihr den Wind aus den Segeln nähme. Die serbischen Bürger wollen nicht noch Jahrzehnte in Unfreiheit und erzwungenem Selbstbetrug leben. Die OSZE sollte sie dazu nicht aus vordergründiger Taktiererei nötigen. Der Auftakt in Belgrad war jedenfalls kein gutes Omen. Georg Baltissen