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Krause ist weiter auf Sause

■ Die taz fragt in einer Jahresendzeitserie: Was machen eigentlich diejenigen, über die wir vor Jahren Seiten füllten? Heute die Folge über Exverkehrsminister Günther Krause

Berlin (taz) – In den letzten Tagen schickte er noch seine Mitarbeiter vor, um sich verleugnen zu lassen. Mal saß der „Chef“ in einer dringenden Sitzung, Minuten später war er dann mit seinem Auto weggesaust. Doch vielleicht muß Günther Krause demnächst in seiner Immobilienfirma an der Ostseeküste selbst Telefondienst schieben. Mehrere seiner elf Angestellten haben gekündigt, weil Krause nur ab und zu ein paar Mark für Lohn rüberschob, schreiben verschiedene Zeitungen. Auch das Arbeitsgericht in Rostock will sich deshalb mit dem Exverkehrsminister beschäftigen.

Mit dem Geld andrere Leute nahm es Krause noch nie so genau. Die von den Steuerzahlern bezahlte Putzfrau und ein nie stattgefundener Umzug kosteten ihn 1993 den Ministersessel – im Vergleich zu den Milliarden, die der Staatskasse durch seine Autobahnplanungen auch jetzt noch entstehen, sind das freilich Peanuts. Heute wartet nicht nur der Fußballverein Hansa-Rostock vergeblich auf 115.000 Mark Sponsorengelder. Auch bei Geldhäusern steht der 43jährige Krause in der Kreide.

Vor kurzem forschte ein Detektiv vergeblich nach dem Verbleib eines Elf-Millionen-Mark-Kredits. Den hatte die Bayrische Landesbank Krause kurz nach seinem Rücktritt für den Eintritt ins Selbständigendasein eingeräumt. Als Sicherheit akzeptierten die Banker damals das Grundstück der Ehegattin, dessen Wert sie im Vertrauen auf den einstigen Kohl- Liebling deutlich überschätzt hatten. Krause wollte von dem Geld angeblich einen privaten „Aufbau Ost“ finanzieren. Doch tatsächlich überwies er die Millionen offenbar an eine von ihm selbst gegründete Spekulationsfirma in Zürich – und dort verliert sich die Spur des Geldes. Doch nicht nur beim Umgang mit den Finanzen anderer Leute ist sich Günther Krause treu geblieben. Sein Credo: „Wir brauchen Spatenstiche in allernächster Zukunft“, mit dem er die lästige Bürgerbeteiligung bei Verkehrsprojekten abschaffen wollte, hat er ebenfalls beibehalten. Ende September buddelte er ein Löchlein in den sandigen Boden Rostocks, wo das erste „Volkshaus“ entsteht. Lange hatte die „Aufbau-Investitionen Prof. Dr.-Ing. habil. Günther Krause GmbH“ das Projekt angekündigt, das Leuten ohne Eigenkapital zu den eigenen vier Wänden verhelfen soll. Familie Langhammer, für deren Haus Krause den Spaten schwang, äußerte sich denn in der Ostseezeitung auch ganz begeistert: Man ziehe den Hut vor dem, was Krause nach der Wende auf den richtigen Weg gebracht habe. Und schließlich ist auch die CDU-Mitgliedschaft ein Kontinuum im Leben des Günther Krause. Noch immer hat er das Mitgliedsbuch der Kohl- Partei. Und bis vor kurzem war er Kreisvorsitzender in Rostock, bis ihn im Oktober eine Frau ablöste.

Schon zu DDR-Zeiten war Krause Kreisvorsitzender der Blockflötenpartei in Bad Doberan. Dokumente aus SED-Archiven beweisen, daß er sich immer wieder bei der Honecker-Partei anbiederte. Kurz vor dem Mauerfall bat er um „Argumentationsmaterial“, wie er mit der Situation in Ungarn umgehen solle. Im März 1990 stieg Krause dann zum CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern auf und leitete wenig später die CDU-Fraktion in der DDR- Volkskammer, bevor er in der vereinigten CDU Furore machte. Doch seine Herkunft vergaß er nicht: Als Verkehrsminister verwies er auf die „positiven Erfahrungen mit Planungsgesetzlichkeiten in der DDR“. Öffentlichkeit ist Krause bis heute ein Greuel. Annette Jensen

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