Mantel des Schweigens

Brandanschlag auf ein von Flüchtlingen bewohntes Haus in Kiel: Polizei schließt fremdenfeindliche Motive nicht aus  ■ Von Marco Carini

Die Botschaft war mißverständlich, der Teufel saß im Detail: Auf „fremdenfeindliche Motive“, verlautbarte Gunnar Austein, Sprecher der Polizeiinspektion Kiel, am Heiligabend, gäbe es „keine weiteren Hinweise“. Doch das Polizei-Statement sollte keine „Entwarnung“ bedeuten; die Betonung lag auf dem Wort „weitere“. Bereits wenige Stunden zuvor hatte Austein eingeräumt, es gäbe Indizien für einen rassistisch motivierten Brandanschlag auf einen „überwiegend von ausländischen Mitbürgern“ bewohnten Altbau im Kieler Theodor-Heuß-Ring 31.

„Wir können fremdenfeindliche Motive nicht ausschließen“, versuchte Austein gestern gegenüber der taz klarzustellen, daß die Ermittler nach wie vor im Dunkeln tappen, aus welchen Beweggründen ein am Heiligabend festgenommener 16jähriger das Feuer am Montag abend gelegt hatte. Zwar habe der Jugendliche „ein Teilgeständnis abgelegt“, über seine Motive aber geschwiegen.

Sachdienliche Hinweise zum Hintergrund des Täters liefert möglicherweise das „Kieler Bündnis gegen Rassismus“. Der geständige Jugendliche wie auch die „beiden anderen zunächst festgenommenen Verdächtigen“ seien „seit Jahren als rechtsradikal bekannt“. Das Kieler Bündnis befürchtet nun, daß „über dieses erneute rassistische Verbrechen der Mantel des Schweigens gebreitet wird“. Die Befürchtung hat Gründe: Über die Weihnachtstage brachten Rundfunk und Fernsehen die Brandstiftung – wenn überhaupt – nur als Kurzmeldung.

Der Brand in dem von MigrantInnen und Flüchtlingen bewohnten Haus war der Kieler Feuerwehr am Montag abend um 19.43 Uhr gemeldet worden. Nachdem sich das Feuer über eine Holztreppe vom Keller bis in den ersten Stock ausgebreitet hatte, kam es zu sehr intensiver Rauchentwicklung. Die Feuerwehr, die den Brand binnen zwei Stunden löschen konnte, rettete 35 Menschen aus dem brennenden Gebäude. Von den 13 überwiegend wegen Rauchvergiftungen ins städtische Krankenhaus eingelieferten Verletzten mußten drei auf der Intensivstation behandelt werden.

Die Polizei nahm in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages drei Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren als Tatverdächtige fest. In die Ermittlungen hatte sich die Kripogruppe „Fremdenfeindliche Straftaten“ eingeschaltet. Einer der drei Festgenommenen gestand am Dienstag, im Keller des Hauses Papier angezündet und dann das Gebäude verlassen zu haben. Gegen den 16jährigen erließ ein Amtsrichter daraufhin Haftbefehl. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag und schwere Brandstiftung vor.

Die anderen beiden festgenommenen Jugendlichen sind inzwischen wieder frei. Wegen „geringer Tatbeteiligung“ wurde kein Haftbefehl gegen sie erlassen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand hätten sie zwar, so Austein, „von dem Anschlag gewußt“, seien aber „nicht unmittelbar an der Tat beteiligt gewesen“.

Das Kieler Bündnis gegen Rassismus ruft wegen des Brandanschlages zu einer Kundgebung auf: Samstag, 11 Uhr, Europaplatz