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Lauter Identitäten: Neufünfländer und Kontaktbereichslover Von Wiglaf Droste

„Sprache ist eine Waffe“, schrieb Kurt Tucholsky und schärfte seinen Mitmenschen ein, sie immer schön stumpf zu halten. Das taten sie dann auch ganz begeistert und riefen: Ja genau! Sprache ist die Waffel, an der wir alle einen haben und an der wir – biblisch, biblisch – einander erkennen! Hurra!

Auf diese geradezu babylonische Sprachverwirrung folgte postwendend der Faschismus – zumindest, wenn man unseren Sprachpflegern Glauben schenkt, jenen ulkigen Leuten, die treuherzig durchs Land quatern, der Brutalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse gehe voraus, was ausgerechnet sie sprachliche Verrohung nennen. Ganz sonntagsschulstolz darauf, stets Ursache und Wirkung zu verwechseln, küren sie – selbstredend, um Schlimmstes zu verhüten – Jahr um Jahr das Unwort des Jahres und machen es somit quasi dingfest, weil ja die Welt eine freundlichere wird, wenn man sie nur mit gerungenen, ja gerongenen Händen und bleiern gefaltetem Gesicht halbseiden-sozialdemokratisch zurechteschwatzt. Anläßlich der von ihnen turnusmäßig abgehaltenen Eigenfeierstunden stehen solch schorlemmereske Quäkexistenzen dann sehr festlich herum und heben an zur Laudatio ihrer selbst: „Ich persönlich denke ...“ – eine Prahlerei, in der zumindest drei Lügen sich verbergen und von der man aus der Haut fahren und mit mühsam nur im Zaum gehaltenen Zorn sagen möcht': Ich persönlich denke, es wäre eine Wohltat, wenn Gesinnungsabgreifer, die der Welt die Krankheit als Heilmittel andrehen wollen, jene Verrohung, vor der sie so behende zu mahnen und zu warnen verstehen, durchaus einmal selbst erführen, damit sie wenigstens in diesem einen Falle etwas über das wüßten, von dem sie so gerne sprechen.

Und da ich gerade dabei bin und gut im Schwung, schließe ich gleich hier eine Sprachpflegeversicherung ab gegen professionelle Quaktaschen, die sich als Humus des Humanismus mißverstehen, in deren psychosozialem Jargon es aber nur so wimmelt von Sätzen wie „Laß uns ein wenig Kontakt halten“ oder „Ich möchte, daß du das jetzt als Angebot verstehst“, und die sich damit perfekt als die Sofortkontakt-Höker Beate Uhsescher Provenienz zu erkennen geben, als die man sie schon lange auf dem Zettel hatte.

Ganz prima ist auch, daß diese Kontaktbereichslover allesamt tiptop über eine Identität verfügen, was sie dann schön wieder vereint mit z.B. Heinz Rudolf Kunze, der verlangt, daß im Volksempfänger mehr deutsches Liedgut gespielt werde zum Schutze der von ihm behaupteten kulturellen Identität der Deutschen, die, so es sie denn gäbe, von ihm ja ausreichend kenntlich repräsentiert würde und dem ich, stellvertretend für alle seine Mitstreiter um die Quote, dieses Liedchen widmen möchte: Identität, Identität, wenn dir keiner mehr steht, steht dir Identität.

Ebenfalls nicht versäumen will ich, meinen ganz persönlichen Unwort-Kandidaten beizusteuern: Neufünfländer. Damit kann man sogar Sätze bilden, z.B. diesen: Menschen, die einen irischen Setter, eine dänische Dogge, einen Berner Sennenhund oder einen Neufünfländer besitzen, tragen Buttons mit der Aufschrift: „Mein Freund ist Ausländer.“

Lesen Sie nächste Woche den Sensationsbericht: Henlyk M. Blodel, der Chinesengünstling. Walum? Egal. Splache ist eine Waffel.

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