: Proteste erwünscht
■ Türkei: Erbakan will islamisches Gipfeltreffen
Kleine Änderung mit großer Bedeutung: Ginge es in der Türkei einzig nach Ministerpräsident Erbakan, dann hieße der in Ankara geplante Gipfel „M 8“ – „M“ wie „Muslim“, „8“, weil acht Regierungschefs dazu eingeladen werden sollen, und in der Kombination, weil diese so wichtig klingt wie „G 7“. Auf den Einladungen wird jedoch nun das Kürzel „D 8“ stehen – „D“ wie „Developing“. Der Religionsgipfel mutiert zur Wirtschaftskonferenz.
Hinter der Namensänderung dürfen jene Kräfte vermutet werden, die in der Türkei noch immer das Sagen haben: die vorwiegend laizistisch und prowestlich orientierten Generäle. An diesen Erben Atatürks kann auch der islamistische Regierungschef nicht vorbei – es sei denn, er riskiert sein Amt und mehr.
Ähnliches erlebte Erbakan bereits kurz vor Weihnachten. Damals ließ sich Irans Präsident Rafsandschani von ihm durch Anatolien kutschieren und unterschrieb gleich fünf Abkommen zumeist wirtschaftlicher Natur. Für den in Ankara unter starkem Druck stehenden Erbakan ein vor allem innenpolitischer Erfolg. Hatte der Regierungschef eines Beinahe-Entwicklungslands doch der Forderung der Weltmacht USA getrotzt, Rafsandschani auszuladen. In dem Lärm ging jedoch eine Niederlage unter: Wäre es nach Erbakan gegangen, hätte er auch noch ein Abkommen über die Zusammenarbeit der türkischen und iranischen Militärindustrien unterzeichnet. Doch da waren die türkischen Generäle vor. Eine militärische Kooperation des Nato-Mitglieds Türkei mit der Islamischen Republik ist für sie ausgeschlossen, zumal die Türkei gerade Militärabkommen mit Israel geschlossen hat.
Der Ärger, den sich Erbakan mit seinem Gipfel einhandelt, ist kalkulierbar: Gegrummel, vor allem aus Washington. Aus Europa wird er zustimmendes Schweigen ernten, zu Hause Jubel. Mit den – außer Iran – international eher unverdächtigen Konferenzteilnehmern verbindet die Türkei neben der Religion vor allem der Wunsch nach größerer internationaler Beachtung. Um so mehr wird ihnen davon zuteil, je lauter die Proteste gegen das Treffen werden. Sollten dann noch ein paar Handelsabkommen unterschrieben werden, kann Erbakan den Gipfel als vollen Erfolg verbuchen – unter welchem Titel auch immer. Thomas Dreger
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