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Fujimori redet am liebsten mit sich selbst

Von Verhandlungen mit den MRTA-Geiselnehmern in der japanischen Botschaftsresidenz in Lima, die noch immer 81 Menschen in ihrer Gewalt haben, will Perus Präsident nichts wissen  ■ Aus Lima Ingo Malcher

Gefragt, warum am Abend zuvor ein lauter Applaus aus der Residenz des japanischen Botschafters zu hören war, blieb der gerade freigelassene argentinische Generalkonsul Juan Ibañez die Antwort nicht schuldig: Der japanische Botschafter hätte gesungen, auf englisch, französisch und japanisch. Ibañez verließ die Residenz des japanischen Botschafters, in der er genau zwei Wochen lang Geisel des Guerillakommandos der „Revolutionären Bewegung Túpac Amaru“ (MRTA) war, gegen Jahresende wie das blühende Leben. Die anderen Geiseln wollten ihn nicht gehen lassen, weil er so ein Witzbold sei. Mit ihm freigelassen wurde auch der Botschafter von Honduras.

Doch der erholte Argentinier täuscht über die politische Lage bei der Besetzung der Residenz des japanischen Botschafters hinweg. Denn die Situation ist festgefahren. Obwohl beide Seiten gebetsmühlenartig immer wieder beteuern, daß ihnen ein friedlicher Ausweg aus der Krise am Herzen liege, ist wieder offen, wie es weitergeht. Sowohl das MRTA-Kommando als auch der peruanische Präsident Alberto Fujimori sind keinen Zentimeter von ihren Forderungen abgewichen. Alle in den letzten Tagen diskutierten Lösungsvorschläge wies Fujimori zurück. Die MRTA hat noch immer 81 Geiseln in der Hand, darunter den japanischen Botschafter, den peruanischen Außenminister Francisco Tudela und den Kopf der Antiterroreinheiten des Landes.

Nach wie vor will Fujimori, daß die MRTA alle Geiseln freiläßt und ihre Waffen vor einer Garantenkommission abgibt. Erst dann könne die Regierung „eine Anwendung von Gewalt ausschließen“, so Fujimori. Auch mag Fujimori den Begriff „Verhandlungen“ nicht. „Ich würde nicht ,verhandeln‘ sagen“, sagte er. Es fänden lediglich „Gespräche“ statt. Die Hauptforderung der MRTA nach Freilassung ihrer 400 Gefangenen lehnt Fujimori weiterhin ab. Der Präsident weiß zu gut, daß er bei einer Freilassung auch nur eines einzigen gefangenen Guerillakämpfers sich selbst gleich mit entlassen kann.

Ein Friedensvertrag, wie er jetzt in Guatemala nach 36 Jahren Bürgerkrieg in Kraft getreten ist, kommt für Fujimori nicht in Frage. „Ich glaube, daß diejenigen, die Peru mit Guatemala vergleichen, sich absolut irren“, gab er zu Protokoll. In Guatemala habe die Guerilla einen starken Rückhalt in der Landbevölkerung; Perus MRTA hingegen hätte eine Anhängerschaft von höchstens tausend Menschen.

Ein Satz Fujimoris sorgte für Gerüchte, Perus Regierung böte den Botschaftsbesetzern die Ausreise nach Kuba an. Dabei hatte der Präsident bloß gesagt, er ziehe alle Möglichkeiten zu einer friedlichen Lösung in Betracht. Auch Kubas Außenminister Roberto Robaina wies die Gerüchte als „peruanische Erfindung“ zurück. Und der Führer der Geiselnehmer, Nestor Cerpa, sagte, wenn er in einem anderen Land Asyl wolle, hätte er dafür nicht die Residenz des japanischen Botschafters überfallen müssen. Manche Medien verbreiten inzwischen das Gerücht, die MRTA habe in den Verhandlungen – oder Gesprächen – von der Forderung nach Freilassung ihrer Gefangenen abgesehen und statt dessen nur bessere Haftbedingungen gefordert.

Am Dienstag kamen Kamerateams und Fotografen zum erstenmal zu einer Pressekonferenz in die besetzte Botschaftsresidenz. Eigentlich war von der Polizei nur ein Spaziergang zu den Mauern gestattet worden. Doch die Journalisten klopften an die Tür, und Besetzerchef Cerpa nutzte die Gelegenheit zu einer spontanen Pressekonferenz. Der Kommandant, umgeben von zwei vermummten Bewachern, ließ durchblicken, daß die MRTA es noch lange in der Residenz des japanischen Botschafters aushalten könne. Bei dem Pressebesuch stellte die MRTA auch ihr riesiges Arsenal moderner Waffen zur Schau.

Eigentlich war der Besuch an den Mauern der Residenz schon für Montag vorgesehen gewesen. Doch als sich unter die Kamerateams und Fotografen eine beachtliche Zahl von Mitgliedern der peruanischen Antiterrorpolizei und des Geheimdienstes mischte, wurde der Ausflug vorerst abgeblasen.

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