: Ein Partner für eine Vision
■ Im Interview: Kultursenatorin Christina Weiss über Eröffnung und Ausbau des Museums der Arbeit, über leere Kassen und die Notwendigkeit des Kultur-Sponsorings
taz: Frau Weiss, am Montag wird das Museum der Arbeit eröffnet, und Sie scheinen sich darüber zu freuen. Warum eigentlich?
Christina Weiss: Zum einen, weil es ein sehr langer Weg war. Das Projekt ist ja bereits 1980 initiiert worden. Zum zweiten, weil gut geworden ist, was lange währte. Das Museum der Arbeit hat eine sehr breite und tragfähige Grundlage. Dazu gehört auch, daß das Museums-Team schon seit Jahren sehr intensiv arbeitet und nachhaltig bewiesen hat, daß es wundervolle Ausstellungen machen kann.
Wie die Ausstellung in der Speicherstadt 1988, die inzwischen zu einem eigenen Museum wurde?
Ja, die war beeindruckend, mehrere andere Ausstellungen ebenfalls. Da ist bereits deutlich geworden, daß hier ein sozialhistorisches Museum entstehen wird, wie es das in Hamburg bisher nicht gab.
Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi schwärmte vor zehn Jahren davon, ein Museum schaffen zu wollen, „das die Museumslandschaft Deutschlands bemerkenswert ergänzt“. Wir bezweifeln, daß dies gelungen ist.
Es ist schon etwas sehr eigenes geworden, das über die Stadt hinausweist. Ein Museum der Alltagsgeschichte von Arbeit und zugleich ein Museum zum Anfassen. Die meisten Ausstellungsteile stehen geradezu unter dem Motto „Bitte be-greifen“.
Ob die deutsche Museumslandschaft dadurch revolutioniert wird, dürfen Sie gerne bezweifeln, aber ich bin sicher, daß wir hier ein Haus haben werden, das Akzente setzen wird, die bislang fehlten.
Weil es den anderen Blick geben soll, der nicht an der Maschine halt macht, sondern auf den Menschen dahinter gerichtet ist?
Wenn Sie mal den Dampfkran „Saatsee“ in Neumühlen besuchen und sich den genau anschauen, da bekommen Sie einen Eindruck davon, wie es gewesen sein muß, auf diesem Ding zu arbeiten, wie schwierig die Arbeitsabläufe waren. Ich fand es auch faszinierend, in der Ausstellung „Das Paradies kommt wieder“ zu sehen und zu fühlen, wie sich Hausarbeit in den vergangenen hundert Jahren verändert hat, was das für die Frauen damals bedeutet hat und für die Frauen heute bedeutet und für die Kinder und die Familie.
Die Vermittlung von Arbeitsalltag hat Grenzen: Die Fischverarbeitung, ein traditioneller Frauenberuf, wird einen Ausstellungsteil bilden, aber ein wichtiges Element wird fehlen: Es wird nicht stinken.
Manche Begleiterscheinungen der Arbeit, wie gerade Gestank oder auch Lärm, sind natürlich nur bedingt zu vermitteln. Man kann Besucher ja nicht realen Gesundheitsgefahren aussetzen, an einer Stanzmaschine zum Beispiel. Ich bin dennoch sicher, daß die Vermittlung auch der Frauenarbeit in der Fischindustrie beeindruckend sein wird.
Die „Geschichte der Geschlechterbeziehungen“ oder auch schlichter „Frau und Arbeit“ genannt ist in der Konzeption des Museums eine grundlegende Kategorie für Sammlung und Vermittlung. Haben Sie deshalb nicht nur als Kultursenatorin Grund zur Freude, sondern auch in Ihrer Eigenschaft als Hamburgs Frauensenatorin?
Ja, das kommt natürlich hinzu. Dieser Ansatz ist in der Tat für ein Museum neu. Der differenzierte Blick auf die Rolle der Frauen in der Arbeitswelt – auch und gerade in der Konkurrenz zu den Männern – und auch auf die Doppelbelastung mit Haushalt und Familie ist sehr verdienstvoll. Vor allem hier gibt es noch sehr, sehr viel aufzuarbeiten und zu vermitteln.
Hat die sehr zeitnahe Eröffnung des Museums der Arbeit und kurz darauf des Erweiterungsbaus der Kunsthalle einen demonstrativen Charakter?
Es sind zwei ganz unterschiedliche Museen, die sich aus unterschiedlichen Initiativen heraus entwickelt haben. Daß die Eröffnungen fast zeitgleich sein werden, hat mit den endgültigen Bürgerschaftsbeschlüssen zu beiden Museen im Frühjahr '92 zu tun. So werden beide eben zugleich fertig, und beide Bereiche können zusammen die Spannungsbreite der Kultur zeigen.
Kein schlechter kulturpolitischer Einstieg in das Wahljahr?
Das war nicht geplant. Die positiven Abstimmungen im Mai 92 waren vielmehr eine glückliche Fügung, schon wenig später wäre dies aufgrund der heraufziehenden Sparkrise nicht mehr möglich gewesen.
Das Museum der Arbeit ist nur ein Rudiment, die nächste Ausbaustufe, der Altbau, steht noch in den Sternen. Wie sieht die Finanzplanung für die nächsten Jahre aus?
Wir haben erst zwei Bauabschnitte realisieren können. Wir hatten aber schon 92 nicht mehr die Möglichkeit, den dritten Bauabschnitt fest zu planen. Trotzdem haben wir die realistische Vision, auch die „Alte Fabrik“ zu sanieren...
Wie das? Hat die Kulturbehörde schwarze Kassen?
Natürlich nicht. Wir können den Ausbau auch nicht alleine schaffen. Aber wir haben schon einen Partner: die GWG. Wenn alles gut geht, wird die den denkmalgeschützen Altbau wiederherstellen und erweitern, so daß auch die bauliche Einheit des Platzes auf dem Fabrikgelände gewährleistet ist. Das Museum kann dann dort Räume mieten. Mit diesem Partner brauchen wir keine Angst vor der Finanzkrise zu haben. Beide Seiten sind davon begeistert.
Schau einer an. Gibt es schon einen Zeitrahmen dafür?
Der Baubeginn ist 1997 geplant. Wenn der Bau fertig ist, muß das Museum auch sofort einziehen. Wir haben bereits die Mietkosten verabredet mit Sonderkonditionen für die ersten beiden Jahre. Das ist schon handfest...
Und klingt gut. Demnach dürfte das Museum noch in diesem Jahrtausend so aussehen, wie es ursprünglich geplant war?
Das ist ja nicht mehr so lange hin, aber ich bin optimistisch.
Das wird natürlich auch für die Kulturbehörde finanzielle Folgen haben: Mehr Personal und höhere Ausstellungsetats.
Die personelle Ausstattung ist, wie in allen Museen nicht mehr üppig, aber hinreichend. Bei Ein-sparungen sind alle Häuser gleich betroffen, leider auch die neu eröffneten. Schwierig ist eher die Ausstattung für Ausstellungen. Zur Eröffnung standen 4,1 Millionen Mark zur Verfügung, künftig muß sich auch das Museum der Arbeit den Sonderausstellungstopf mit den anderen staatlichen Museen teilen. Wir sind sehr knapp, aber ich sehe keine Katastrophe.
Zudem haben Firmen Interesse, ihre Geschichte in der „Alten Fabrik“ darzustellen. Solche Partnerschaften sind in einem Museum der Arbeit ideal.
Uns scheint da eher die Gefahr von PR-Veranstaltungen gegben.
Das ist immer das Problem mit Sponsorship. Aber das Museum der Arbeit hat natürlich die freie Auswahl, was es zeigt und was nicht. Ich habe da Vertrauen in die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Museums-Teams.
Wird Sponsorship zu einem Modell für die Präsentation von Kultur in dieser Stadt?
Es nimmt zu, es muß zunehmen. Wir leisten zwar die Basis, aber für mehr reicht es nicht mehr ohne Sponsoren. Doch man soll nicht immer von der guten, alten Zeit reden: Als ich 1991 anfing, waren Hamburgs Museen nicht optimal finanziert und in keinem guten Zustand. Da ist seitdem viel passiert.
Und als nächstes sollen das Museum für Völkerkunde und das Museum für Kunst und Gewerbe erweitert werden, obwohl eigentlich kein Geld da ist?
Wenn ich keine Visionen mehr entwickeln könnte, hätte ich keine Lust mehr zu dieser Arbeit. Wenn die Visionen überzeugend sind, findet man auch Partner für die Realisierung. Fragen: Hajo Schiff
und Sven-Michael Veit
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