: „Art And Science At ZARM“ von Hans J. Rath, Bremer Künstler und Chef des „Fallturms“ / Eine Bildbetrachtung
„Art And Science At ZARM“ hat Hans J. Rath seine Ölkreidezeichnung auf schwarzem Karton genannt: eine unschwer zu entschlüsselnde Anspielung auf das in Bremen ansässige „Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation“ (ZARM). Für diese Deutung spricht auch ein im Goldenen Schnitt des Bildes plaziertes schlankes, hochaufragendes Objekt, das frappierende Ähnlichkeit mit dem, wie der frühere Bremer Bürgermeister Klaus Wedemeier einst anläßlich der Einweihung trefflich sagte, „neuen Wahrzeichen Bremens“ hat: dem Bremer Fallturm.
Das Thema des aufgrund des schwarzen Malgrundes dunkel, ja düster wirkenden Werkes verweist auf eine tiefempfundene Bipolarität in des Künstlers Seele: Kunst und Wissenschaft. Und in der Tat: der Künstler findet jenseits seiner künstlerischen Emanationen Zeit, sich einem – wie man meinen könnte – kunstfernen Hobby zu widmen: Hans J. Rath ist Professor und steht dem oben erwähnten ZARM als Leiter vor.
Raths Bildsprache ist vieldeutig, zitatreich und hintergründig. Dabei ist das Hochaufgerichtete eins seiner bevorzugten Elemente. Zweifellos wird hier der phallische Diskurs der letzten fünfzig Jahre Kunstgeschichte subtilst fortgesetzt. Ein Pfeil zuckt durchs Bild. Vertikale Wortungetüme recken sich in die Höhe: Universität Bremen; Combustion. Kerzen (!) brennen mit auffallend hochschießender Flamme.
Doch eine Kerze (!) erscheint und wirkt auch beinahe niedergedrückt, wie von rätselhaften Einflüssen, die der Künstler durchaus zu benennen scheint: Zentralalarmruhemasse; Microgravity; Fluidmechanik. Begriffe wie direkt aus der Wissenschaft dem Künstler in den Schoß gefallen.
In der Ausgestaltung seiner Figuren huldigt Rath übrigens ganz offen – sogar ausdrücklich! – seinem angebeteten Meister: A. R. Penck. Doch inzwischen selbst schon meisterlich führt Rath die Kreide, wenn es um die die spannungsreiche Beziehung Mensch-Raum-Weltraum geht. Und wenn er unvermutet wieder und wieder sein „Tag“ (sprich: tägg) anbringt: ZARM.
Sein Arbeiten kennt weder Vorder- noch Hintergrund, schweißt Drauf- und Seitenansicht gnadenlos zusammen und haut „gewalttätig“ mit Zeichen der Jugendkultur um sich („Zero-G“). Raths Kunst ist, kurz und bündig, postmoderne Pop-Art, indem sie sich in der Welt des Scheins bedient, um das Scheinen in der Welt zu beleuchten.
Ungewöhnlich wie der ganze Rath ist auch die Art und Weise der Verbreitung seiner Kunst, denn es handelt sich um X-masMailArt. Zu Weihnachten an alle Geschäftsfreunde und Partner des ZARM verschickt, so daß man gar nicht genug darüber spekulieren kann, wie sich die japanischen Konkurrenten um den größten Fallturm grämen: Denn ihr Chef malt nicht.
Burkhard Straßmann
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