: Personalabbau: Land sanieren, Bezirke ruinieren
■ Bezirke sollen auf Beamtenstellen verzichten, die Kosten aber weiter tragen
Um den Abbau von 19.300 Stellen im öffentlichen Dienst voranzutreiben, ist dem Senat kein Handschlag zu golden. Nachdem der Senat im vergangenen November beschlossen hatte, im Rahmen der „Sonderurlaubsverordnung“ eine Regelung zum schnellen Abbau von Planstellen zu schaffen, hat die Innenverwaltung nun einen Entwurf vorgelegt, der bei der ÖTV und den Bezirken auf entschiedenen Widerstand stößt.
Um das Ziel, bis zum Jahre 1999 19.300 Stellen abzubauen, zu erreichen, schlägt die Innenverwaltung nun vor, Beamte der Bezirke ab dem 55. Lebensjahr auf eigenen Antrag bis zum Ruhestand in einen bezahlten Sonderurlaub zu entlassen. Die Stelle des Beurlaubten oder eine andere gleichwertige Stelle müßte dann gestrichen werden. Einzige Voraussetzung: Die Beamten müssen 75 Prozent ihrer Rentenansprüche erarbeitet haben. Gleichzeitig bekommen die beurlaubten Staatsdiener 75 Prozent ihrer bisherigen Bezüge.
Für die Schöneberger Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnisgrüne) ist die von Innenstaatsseketär Eike Lancelle vorgeschlagene Regelung „pure Augenwischerei“, bei der die finanzielle Last dieser Art von goldenem Handschlag auf die Bezirke abgewälzt werde. In der Tat ist in dem Entwurf, der der taz vorliegt, vorgesehen, daß „die weiter auszuzahlenden Teilbezüge [...] zu Lasten der beurlaubenden Dienststelle“ gehen. Im Klartext: Geht ein Mitarbeiter des Bezirksamts in den Sonderurlaub, wird dessen Stelle gestrichen. In der nächsten Globalsummenzuweisung durch den Senat taucht diese Stelle nicht mehr auf, der Bezirk bekommt entsprechend weniger Geld. Die 75 Prozent, die der Beamte bis zur Pensionierung fürs Däumchendrehen bekommt, müßte der Bezirk dann trotzdem aus seinem reduzierten Personaletat zusammenkratzen.
Für Elisabeth Ziemer steht deshalb fest, daß das Bezirksamt Schöneberg derartige Anträge von Beamten generell nicht genehmigen werde. Ähnlich äußerte sich auch Joachim Zeller (CDU), Bürgermeister von Mitte: „Dieser Entwurf ist nicht erfüllbar und auch nicht umsetzbar, ohne daß wir uns Handschellen anlegen.“ Zeller hofft deshalb, daß der Entwurf, der derzeit im Innenausschuß und beim Rat der Bürgermeister zur Diskussion vorliegt, gar nicht erst in Kraft tritt. „Wenn ein Beamter erst einmal einen Rechtsanspruch auf Sonderurlaub hat“, schimpft Zeller, „kann sich das zu einer Katastrophe auswirken.“
Unterstützung bekommen die Bezirke auch von der ÖTV. Deren Sprecher Ernst-Otto Kock ärgert vor allem die „Beliebigkeit“, mit der der Senat Beschlüsse fasse. Zwar könne für den einzelnen Beamten ein solcher Sonderurlaub durchaus eine individuelle Perspektive sein. Wenn der Einspareffekt 25 Prozent betrage, dabei gleichzeitig aber eine Dienstleistung von 100 Prozent wegfalle, sei das aber ein „erheblicher Einschnitt in das Leistungsgefüge“. Außerdem, sagte Kock, ärgere ihn, daß der Eindruck entstehe, daß Beamte ohnehin nicht richtig arbeiteten. Uwe Rada
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