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Showdown in Sachen Newt Gingrich

■ Heute stellt sich der Republikaner Newt Gingrich zur Wiederwahl als Präsident des US-Parlaments. Der einst so starke Gegenspieler Präsident Clintons wird nicht ohne Blessuren daraus hervorgehen

Washington (dpa) – Newt Gingrich steht vor einer Nagelprobe. Vor genau zwei Jahren feierte er seinen größten Triumph, als er zum ersten republikanischen Präsidenten des Repräsentantenhauses seit 40 Jahren gewählt wurde. Mit täglichen Pressekonferenzen entfachte der mächtigste Mann auf dem Kapitolhügel in Washington einen solchen Wirbel, daß er seinen Gegenspieler im Weißen Haus – Präsident Bill Clinton – wochenlang zum Statisten degradierte.

Wenn das Parlament heute zu seiner ersten Sitzung nach den Wahlen am 5. November zusammentritt, könnte der Kontrast kaum größer sein. Diesmal bangt Gingrich um die Wiederwahl im Amt des Speakers, das nach Präsident und Vizepräsident das dritthöchste im Staat ist. In den letzten Tagen hat der 53jährige erbittert um jede Stimme in der Fraktion, die ihm 1994 noch blind ergeben war, gekämpft.

Gingrich hat damals mit seinem fast missionarischen Kreuzzug gegen die Staats- und Sozialbürokratie in Washington wie kein anderer den Zeitgeist verkörpert. Doch der Stern des konservativen Historikers aus einem Vorort von Atlanta begann zu sinken, als er sich vor einem Jahr im Haushaltskampf mit Clinton starrsinnig zeigte. Gingrich wurde vor allem die Schuld gegeben, daß wegen des Etatstreits mehrfach die Bundesbehörden geschlossen werden mußten.

Der erneute Sieg der Republikaner bei den Kongreßwahlen im November gab Gingrich, dem unbestrittenen Chefdenker seiner Fraktion, wieder Rückendeckung. Doch drei Tage vor Weihnachten wurde der ehrgeizige Politiker von seiner Vergangenheit eingeholt.

Ein vom Parlament eingesetzter Ausschuß kam zum Ergebnis, daß der Geschichtsprofessor gegen den Ehrenkodex verstieß, als er von steuerbefreiten gemeinnützigen Organisationen seine Vorlesungen an Hochschulen finanzieren ließ. Gingrich gab außerdem zu, das Parlament im Rahmen der Untersuchung falsch informiert zu haben, machte jedoch dafür seinen Anwalt verantwortlich.

Während die Republikaner nur von einem geringfügigen Vergehen sprechen, handelt es sich für die Demokraten um einen klaren Mißbrauch. Sie erinnern zugleich an den demokratischen Parlamentspräsidenten Jim Wright, der 1989 auf Druck Gingrichs wegen eines geringfügigen Verstoßes seinen Hut nehmen mußte. Damals hatte Gingrich erklärt, der Speaker dürfe „nicht einmal in den Verdacht geraten, etwas Unrechtes getan zu haben“.

Nachdem einflußreiche konservative Journalisten wie der New York Times-Kolumnist William Safire dem Historiker den Abgang von der Bühne in Washington empfohlen hatten, gingen auch zahlreiche republikanische Abgeordnete auf Distanz. Es scheint jedoch so, als ob Gingrich die meisten der wankelmütigen Fraktionskollegen erfolgreich bearbeitet hat. Da die Republikaner in dem 435 Mitglieder starken Haus nur eine Mehrheit von 19 Stimmen haben, zählt jeder Abgeordnete.

Der Abgeordnete Scott Klug aus Wisconsin dringt auf eine Verschiebung der Wahl. Er ist einer von 16 Republikanern, die sich noch nicht festlegen wollten, ob sie Gingrich wählen. Einige Abgeordnete haben jedoch angekündigt, allein schon deshalb für Gingrich zu stimmen, damit nicht der demokratische Gegenkandidat Dick Gephardt die Wahl gewinnt. Michael Forbes, ein Abgeordneter aus New York, ist bislang der einzige, der offen angekündigt hat, gegen Gingrich zu stimmen. Der Präsident des Hauses müsse ein mutiges Profil aufweisen und die Parteiinteressen über seine eigenen stellen, sagte Forbes zur Begründung.

Beobachter sind sich einig, daß Gingrich auch im Falle seiner Wiederwahl geschwächt aus der Auseinandersetzung hervorgehen wird. Außerdem wird der Ausschuß in den nächsten Wochen noch über eine Form der Bestrafung für das Vergehen des 53jährigen entscheiden. Es wird wohl mindestens eine Rüge werden.

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