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Lobet den Herrn, der da Helmut Kohl heißt

■ Alle Jahre wieder: Traditionelles Sternsingen im Bundeskanzleramt

Bonn (taz) – „Und finden, und finden, und finden unseren Herrn“ – Könige warten auf den Kanzler. In ihren roten, weißen, goldenen Gewändern singen sie Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) nun schon seit einer Viertelstunde ein Lied nach dem anderen, doch jetzt erst, mit ein wenig Verspätung, schwebt von oben der Fahrstuhl herab ins Foyer des Kanzleramtes, die Türen öffnen sich, und ER schreitet herein.

Es ist der „traditionelle Sternsingerempfang des Bundeskanzlers“, lautet die Ankündigung einer 37seitigen Pressemappe des Bundeskanzleramtes. Zum 14. Mal wurden gestern etwa 180 Mädchen und Jungen, Sternsinger aus allen 27 deutschen Bistümern, mit dem mächtigsten Politiker Deutschlands fotografiert. Nicht weniger als neun Kamerateams, gut ein Dutzend Fotografen und ungezählte Reporter haschen nach jedem Wort, jedem Lächeln, jedem Händedruck des Chefs der Exekutive. Schließlich ist es der einzige Pressetermin an diesem ersten Montag des neuen Jahres.

Alles läuft nach Plan. Kurz nach 11 Uhr tragen die Sternsinger der Chorgruppe St. Anna in Krefeld ihren Spruch (Anlage 3 der Pressemappe) vor. Kaspar sagt: „Ich stehe heut' als der Schwarze hier/ und bitte Sie, freudig zu geben./Die Kinder der Welt stehen mit vor der Tür,/helft mit, ihre Not zu beheben.“ Die Sternträgerin verhaspelt sich etwas mit ihrem Spruch, aber der Kanzler lobt sie: „Sehr gut hast du das gemacht.“ Da lachen viele und klatschen.

Die Kinder zwischen 9 und 18 Jahren singen „Komm, mach die Türe auf – das „Sternsingerlied 7“ (Anlage 2 der Pressemappe). Die Chorgruppe aus St. Anna trägt ein Sprechspiel vor: „Pascasca – offene Türen, damit Kinder heute leben können. „Ich bin immer noch sehr traurig“, sagt ein Mädchen mit Brille und Lamafellmütze, die eine Gleichaltrige aus Peru darstellt, deren erkrankte Schwester starb, da Medikamente zu teuer waren.

Etwa eine halbe Million Sternsinger haben im vergangenen Jahr mehr als 46 Millionen Mark für über 2.500 Projekte zugunsten von Kindern in der Dritten Welt gesammelt. Kohl dankt den Kindern, die so viel Gutes getan haben. Er freue sich über die Farbenpracht, die sie hereingebracht hatten – die Farbe Schwarz sei ihm besonders sympathisch, ohne daß er das jetzt interpretieren wolle –, wieder lachen viele. Er freue sich, daß auch Sternsinger aus anderen Staaten Europas dabei seien, denn sie verbänden die Menschen des Kontinents. „Was wir jetzt bauen, ist euer Haus, damit wir in Europa nie wieder gegeneinander in den Krieg ziehen“, sagt der Kanzler.

Schließlich tanzen acht Jugendliche einer Musikgruppe aus Ecuador. Sie stammen aus einem Kinderhaus in Quito, in dem Schwester Sigmunda seit 21 Jahren arbeitet. Heute hat sie einen Poncho angelegt, an dem ihr Bundesverdienstkreuz hängt. Dann läßt sich der Kanzler mit allen 180 Kindern fotografieren.

Pünktlich um 12.30 Uhr schwebt sein Fahrstuhl wieder nach oben. Die Geschenke darf eine Dame vom Protokoll verteilen. Philipp Gessler

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