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Streiks in Süd-Korea weiten sich aus

■ Proteste gegen neues Arbeitsgesetz jetzt auch im öffentlichen Dienst. Präsident Kim Young Sam bleibt hart

Seoul (AFP) – Die südkoreanische Gewerkschaftsbewegung hat ungeachtet der Drohungen von Regierungsseite eine Ausweitung der Streiks und Proteste gegen das umstrittene neue Arbeitsgesetz angekündigt. Der Chef des zweitgrößten Gewerkschaftsverbandes KCTU, Kwon Young Kil, nannte die Verteidigung des Arbeitsgesetzes durch Staatschef Kim Young Sam gestern eine Absage an jeglichen Dialog. Der Arbeitskampf werde jetzt verschärft und auf den öffentlichen Dienst ausgedehnt. Kwon forderte Süd-Koreas größten Gewerkschaftsverband FKTU auf, sich den Aktionen anzuschließen. Die Vorladungen zum Verhör von 29 Gewerkschaftsführern durch die Staatsanwaltschaft wies er zurück. Den Gewerkschaftsführern, unter ihnen auch Kwon, ist mit Verhaftung gedroht worden, falls sie sich bis gestern nicht zur Vernehmung einfinden sollten. Präsident Kim hatte sich zuvor nachdrücklich hinter das Arbeitsgesetz gestellt, das er als lebenswichtig für Süd-Koreas internationale Wettbewewerbsfähigkeit bezeichnete. „Wandel und Reform sowie Globalisierung machen unsere Überlebensstrategie aus“, sagte er auf einer Pressekonferenz in Seoul. Das neue Gesetz orientiere sich an der Gesetzgebung in fortschrittlichen Nationen. Das alte Gesetz sei 43 Jahre unangetastet geblieben, nun sei eine Revision erforderlich. „Die Wirtschaft Süd-Koreas ist in Schwierigkeiten geraten. Wir müssen geduldig und ausdauernd sein.“

Das neue Arbeitsrecht, das zum 1. März in Kraft treten soll, lockert den Kündigungsschutz, ermöglicht längere Arbeitszeiten, erleichtert den Einsatz von Streikbrechern und schränkt den Handungsspielraum der Gewerkschaften ein. Während Kims Pressekonferenz schlossen sich Tausende Gewerkschaftsmitglieder, darunter auch Angestellte der Krankenhäuser, der Streikbewegung an, die am Montag neue Dynamik erhalten hatte. Nach Angaben des südkoreanischen Gewerkschaftsdachverbandes KCTU beteiligten sich am Montag rund 240.000 Arbeiter und Angestellte an dem landesweiten Streik. In Seoul war bei einem Protestmarsch der Rücktritt des Präsidenten gefordert worden. Die Polizei war mit Tränengas gegen die Demnstranten vorgegangen.

Die Börsenkurse gaben gestern weiter nach. An der Börse in Seoul wurde die Rede Kims enttäuscht kommentiert. „Ohne die Rede wäre es besser gewesen“, sagte ein Börsenmakler. „Sie war nur ein Zusatz zu der ohnehin gedrückten Stimmung.“

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