: Entwicklungshilfe auch dem Norden
■ Terre des hommes wird 30. Zu Beginn wurden Kinder aus Vietnam geholt, jetzt kämpft man gegen Kinderarbeit
Berlin (taz) – Dagmar Berghoff, im normalen Leben Chefsprecherin der ARD, verwandelte sich gestern in die „Chef“-Sprecherin von „terre des hommes“. Schon vor 30 Jahren habe sie die Organisation bewundert, die Kinder aus dem Vietnamkrieg herausholte, erzählte sie bei einer Pressekonferenz in Berlin mit samtweicher Stimme. Damals, 1967, absolvierte sie gerade ihre Fernseh-Lehrzeit in Baden-Baden.
Die Fernsehbilder aus Vietnam hätten ihm damals den Schlaf geraubt, berichtete der mittlerweile graubärtige „terre des homme“- Gründer Lutz Beisel. Heute vor 30 Jahren trommelte der Schriftsetzer rund 40 Menschen in eine Stuttgarter Waldorfschule zusammen. Sie wollten helfen: schnell, ganz schnell. Sie schlossen sich einer Rettungsaktion an, die der Schweizer Journalist Edmond Kaiser organisiert hatte, zunächst für Kinder im Algerienkrieg, dann auch für Kinder in Vietnam. Den mehrdeutigen Namen „terre des hommes“ – Welt der Menschen, Erde der Menschlichkeit – übernahmen sie aus dem Buch „Wind, Sand und Sterne“ von Antoine de Saint- Exupéry. Kriegsverletzte Kinder wurden in Schweizer und in deutschen Krankenhäuser gebracht, Kriegswaisen an europäische Adoptiveltern vermittelt.
In seiner 30jährigen Existenz hat sich der kleine Verein zu einer veritablen Organisation entwickelt, die inzwischen jährlich rund 20 Millionen Mark Spendengelder an 320 Projekte in 22 Ländern verteilt. Rehabilitationszentren in Vietnam werden genauso gefördert wie etwa Straßenkinderprojekte in Nicaragua oder das südafrikanische Netzwerk gegen Kinderarbeit.
Dabei blieb „terre des hommes“ eine Entwicklungsorganisation, die sich beständig selbst weiterentwickelte. Weil man „Eltern für Kinder und nicht Kinder für Eltern“ suchen wollte, so die Vereinsvorsitzende Petra Boxler, habe man nach langen Diskussionen die Auslandsadoptionen völlig eingestellt.
Dafür wurden neue Kampagnen-Schwerpunkte kreiert: der Kampf gegen Kinderarbeit, Kinderprostitution und Kindersoldatentum. Die Zahl der Kinder, die arbeiten müssen, um zu überleben, sei von 1979 bis heute von 52 auf 200 Millionen gestiegen, so Vereinschefin Boxler. In den letzten zehn Jahren seien rund zwei Millionen Kinder in bewaffneten Konflikten getötet worden. Und in immer mehr Kriegen würden bereits 14- oder 15jährige als Soldaten mißbraucht.
Doch spätestens im Zeitalter der Globalisierung reiche es nicht mehr aus, Projekte in der fernen Dritten Welt zu unterstützen. In der Osnabrücker Geschäftsstelle wird deshalb die „Entwicklungshilfe für den Norden“ gerade zu einem eigenständigen Arbeitsbereich ausgebaut. Gefördert werden soll nachhaltiges Wirtschaften, kommunale Entwicklungszusammenarbeit und ein verändertes Verbraucherverhalten. Eine Aufgabe für die nächsten 30 Jahre. Ute Scheub
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