piwik no script img

Freispruch für Abgeordnete

■ Amtsgericht spricht grüne Abgeordnete Judith Demba vom Vorwurf der versuchten Nötigung wegen Anti-Olympia-Video frei. Keine Drohung gegen IOC-Mitglieder

Mit einem Freispruch auf ganzer Linie endete gestern der Prozeß gegen die sportpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Judith Demba. Die 39jährige Abgeordnete hatte wegen des Vorwurfs der versuchten Nötigung von IOC-Mitgliedern vor Gericht gestanden. Corpus delicti war ein von Demba unterzeichneter Brief, der laut Anklage am 27. Januar 1993 beim Olympischen Komitee in Lausanne zusammen mit einem Video der Berliner Anti-Olympia- Bewegung abgegeben wurde. Das war jener Tag, an dem auch die Berliner Olympia GmbH die offizielle Bewerbung für die Olympischen Spiele im Jahr 2000 beim IOC präsentierte. Bekanntlich entschieden sich die Herren der Ringe allerdings für Sidney als Austragungsort.

Bei dem Video der Anti-Olympioniken handelte es sich laut Staatsanwaltschaft um einen Kurzfilm, in dem zum Schluß eine vermummte Person zu sehen ist, die dem Betrachter den erhobenen Mittelfinger der linken Hand entgegenstreckt und mit der rechten Hand einen pflastersteinartigen Gegenstand mehrfach in die Höhe wirft und wieder auffängt. Dazu sagt eine Stimme auf englisch: „Kommt nur, wir warten auf euch“. Demba selbst tritt in dem Film einmal kurz mit einer Sammelbüchse auf.

Nach mehreren vergeblichen Versuchen, den Prozeß über die Bühne zu bringen, erging gestern endlich das Urteil. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zum Schluß verzweifelt versucht, Zeugen aufzutreiben, die den Beleg für Dembas Verantwortung für das Video erbringen konnten, erlitt damit aber Schiffbruch. Trotzdem ließ sich die junge Anklagevertreterin, die in dem Prozeß von ihren Chef überwacht wurde, nicht davon abbringen, eine Geldstrafe für Demba wegen versuchter Nötigung zu fordern. Der Film sei keineswegs als Satire anzusehen, argumentierte sie. Vielmehr sei er eine ernstgemeinte Drohung, die Mitglieder des IOC und die Teilnehmer des IWF-Kongresses durch Straßenschlachten und Blockaden einzuschüchtern, befand die Staatsanwältin.

Das Gericht sah dies ganz anders. Zum einen sah der Amtsrichter es keineswegs als erwiesen, daß das Video damals wirklich zusammen mit dem Brief von Demba beim IOC abgegeben worden war. Des weiteren habe nicht geklärt werden können, ob der Film, der später bei der Kripo in Berlin landete, der nämliche von Lausanne war oder nur eine Kopie, von denen seinerzeit viele kursierten. Zudem gab es unterschiedliche Fassungen mit und ohne die besagte Schlußszene. Aber selbst wenn sich der Sachverhalt so darstelle, wie die Staatsanwaltschaft meinte, hätte er Demba wahrscheinlich nicht verurteilt, erklärte der Richter. Der Tatbestand der versuchten Nötigung wäre nämlich nur dann erfüllt, wenn die Angeklagte geglaubt hätte, daß sie das IOC mit dem Video wirklich in seiner Entscheidung hätte beeinflußen können. Dies habe Demba aufgrund ihrer politischen Erfahrung als Abgeordnete wohl kaum im Ernst annehmen können. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen