: Deutsch-türkischer Dialog in Gefahr
■ Senat verweigert 700.000 Mark für Festival in Istanbul. Türkische Stiftung befürchtet „kulturpolitische Katastrophe“
Die Idee kam von den Deutschen, und die Türken griffen sie begeistert auf. „grenzenlos. Berlin in Istanbul“ sollte das Projekt heißen, das sich zum Ziel gesetzt hat, kulturelle Brücken zu schlagen. Doch jetzt wird wohl nichts aus der Präsentation Berliner Lebens in der türkischen Hauptstadt Istanbul. Das „grenzenlos“-Kulturfestival droht auszufallen, weil wegen der aktuellen Berliner Haushaltssperre der Senat die notwendigen 700.000 Mark nicht aufbringen will. „Eine kulturpolitische Katastrophe“, kommentiert der Intendant der zuständigen Istanbuler Stiftung, Melih Fereli.
Seit 1990 hat der Senat in Kooperation mit Budapest, Warschau, Prag und Moskau „grenzenlos“-Kulturfestivals durchgeführt. 1997 ist eigentlich Istanbul an der Reihe. Berliner Künstler und Literaten sollten im Zeitraum zwischen März und November Gäste der ehrwürdigen Metropole am Bosporus sein. Im Rahmen des Film-, Theater-, Musik- und Jazzfestivals sollten schwerpunktmäßig Berliner berücksichtigt werden. Literaten und Theater sollten aus Berlin anreisen, um „lebendige, kulturelle Begegnung“ zu fördern. Als türkischen Partner zur Durchführung des Mammutprojekts hatte der Senat die renommierte „Istanbuler Stiftung für Kultur und Kunst“ erkoren. Die vom Staat unabhängige Stiftung ist Träger der Internationalen Film-, Theater-, Musik- und Jazzfestivals sowie der Istanbul Biennale.
Die Programmbroschüre des „grenzenlos“-Festivals soll in einer Woche in Druck gehen. Doch Stiftungsintendant Melih Fereli befürchtet nun, daß zum erstenmal in der 25jährigen Geschichte der Stiftung ein Partner vertragsbrüchig wird. Der Kooperationsvertrag zwischen der Stiftung und der senatseigenen „Berliner Kulturveranstaltungs-GmbH“ ist im vergangenen Jahr unterzeichnet worden. „Die Vertragspartner vereinbaren verbindlich“, heißt es darin „in gemeinsamer Verantwortung die kulturelle Veranstaltungsreihe ,grenzenlos. Berlin in Istanbul‘ 1997, unter Einbeziehung des Goethe-Instituts Istanbul, zu konzipieren und durchzuführen.“ Bis zur finanz- und verwaltungstechnischen Abwicklung sind die Einzelheiten in dem Vertrag geregelt. Daß es ausgerechnet die ordentlichen Deutschen sind, die einen schriftlich fixierten Vertrag nicht einhalten, will dem Intendanten der Stiftung nicht in den Kopf: „So etwas hätten wir von einem Dritte-Welt- Staat erwartet, aber nicht von den Deutschen.“ Ferelis Entsetzen ist allzu verständlich. „Die Deutschen bescheren uns einen Trümmerhaufen“ sagt Fereli, der auch über die Unseriosität und Unprofessionalität staunt.
Auf die Vorwürfe angesprochen, reagiert der Leiter des Istanbuler Goethe-Instituts, Kurt Scharf, mit Verständnis für die Türken. Das Goethe-Institut hat auch im Vertrauen auf die Absprachen Vorleistungen erbracht: „Das Goethe-Institut wird sich bei seinen Partnern blamieren.“ Doch die Entscheidung der Berliner Finanzbürokraten hat nach Auffassung Scharfs noch weiterreichende Folgen: „Wenn wir Deutsche uns als derart unzuverlässig erweisen, ist das ein Schlag ins Gesicht derjenigen Türken, die mit Europa kooperieren wollen. Viele Türken werden das als eurozentristische Verachtung bewerten.“ Ömer Ezeren
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