: „Den Sozialimus besser machen“
■ PDS-Bundessprecher Hanno Harnisch über seine Spitzeltätigkeit als IM „Egon“
taz: Herr Harnisch, warum haben sich nicht selbst offenbart und Ihre IM-Tätigkeit eingestanden?
Hanno Harnisch: Es hätte Sinn gemacht, wenn ich das zwischen 1976, dem Zeitpunkt meiner Anwerbung, und dem Frühherbst 1989, dem Ende der IM-Tätigkeit, getan hätte. Aber zu einer Dekonspiration hat mir schlicht der Mut gefehlt, äußere Anlässe aber gab es genug.
Was hat sie bewogen, Inoffizieller Mitarbeiter (IM) zu werden?
Ich war und bin überzeugter Sozialist. Mein Ursprungskontakt war eher eine Nötigungsituation, später vermischte sich das mit Trotz, Überzeugung, dem Bestreben, den Sozialismus besser zu machen. Es war auch ein Schuß Abenteurertum dabei, denn es ging partiell auch um Auslandstätigkeit. Die Nötigungssituation war dann irgendwann vergessen.
Wer nötigte Sie?
Mein Studium in Rostow am Don, in der damaligen UdSSR, wurde im dritten Semester beendet durch Einwirkungen des Ministerium für Staatssicherheit und durch denunzierende Spitzelberichte. Damit bin ich bislang nicht hausieren gegangen, denn nur als Opfer wollte ich mich nun wirklich nicht hochstilisieren.
Woraus bestand Ihre Tätigkeit als IM? Gaben Sie Auskunft über Gesinnungsgenossen, Freunde, Bekannte?
Unterm Strich muß ich sagen: Ja. In meiner Situation habe ich das eher als gegenseitigen Austausch gesehen über die Frage: Wie kann man den Sozialismus besser, auch sicherer machen. Das ist, aus heutiger Sicht, eine schöne Illusion gewesen.
Wissen Sie von Personen, die durch Ihre Berichte Schaden erlitten haben?
Der dümmste Satz, den man in dieser Situation sagen kann, ist: Ich habe niemanden geschadet. Deshalb werde ich diesen Satz nicht sagen. So wie mir damals durch die Stasi in der UdSSR geschadet wurde – solche Auswirkungen auf andere Personen hat es durch meine Berichte wohl nicht gegeben. Ich muß aber einschränken: Glaube ich.
Denn ich kenne keine einzige Seite einer Akte. Es waren Gespräche in einer konspirativen, aber vertrauten Atmosphäre. Es ging dabei auch um einen Auslandsschutzauftrag, insofern gab es auch einen hehren Moment meiner IM-Tätigkeit.
Was heißt das konkret?
Das war nicht die klassische Abteilung XX [Hauptverwaltung Abwehr, die bis 1983 von Markus Wolf geführt wurde – die Red.], sondern eine Abteilung, die sich mit dem Schutz vor Auslandsspionage beschäftigt hat.
Haben Sie sich selbst den Decknamen „Egon“ gegeben?
Ist der nicht lustig? Spaß beiseite, den konnte man sich immer selber auswählen.
Es gibt einen Parteitagsbeschluß der PDS, der Funktionsträgern die Offenlegung ihrer Vergangenheit nahelegt. Warum haben Sie das nicht getan?
Dieser Beschluß gilt für Vorstandsmitglieder und Kandidaten für Parlamente. Weder dem einen noch dem anderen gehöre ich an.
Aber Sie sind eine exponierter Vertreter ihrer Partei...
Von heute aus war es vielleicht ein Fehler. Am besten wäre es gewesen, ich hätte mich vor 1989 offenbart. Nach 1990 sah ich keine Notwendigkeit. Nebenbei: Was die Bild heute berichtet, haben bereits vor über einem Jahr Bärbel Bohley und ihr Anwalt in einem Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht geschrieben: Daß nämlich der Hanno Harnisch, Mieter in der früheren Wohnung von Wolf Biermann, für die Stasi gearbeitet haben soll. Damals hat dpa das aufgegriffen, nur hat es niemanden interessiert.
Treten Sie jetzt zurück?
Ich trage mich nicht mit dem Gedanken, zurückzutreten. Ich mache meine Arbeit gerne und habe mich, als ich diese Stelle übernahm, entschlossen, diese Seite meines bestimmt nicht einfachen Charakters nicht zu publizieren.
Warum waren Sie für die Stasi als Mitarbeiter interessant?
Vielleicht haben sie an meiner weltoffenen Art Gefallen gefunden, mein Kontakt zu Westkollegen, auch zu einigen DDR-Intellektuellen. Obwohl sich das sehr in Grenzen gehalten hat. Denn ansonsten wäre ja irgend jemand schon früher durch seine Aktendurchsicht auf mich gestoßen. Ich war nie ein besonders fleißiger Berichterstatter, wohl sehr zum Ärger meines Führungsoffiziers.
Den haben Sie aber nicht später in der PDS wiedergetroffen?
Nein. Interview: Severin Weiland
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