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Sozialkarte bleibt, aber Bezirke müssen zahlen

■ Streit um die Finanzierung zwischen Senatsverwaltungen und Bezirken. Sozialämter befürchten nach neuer Regelung Einzelfallprüfungen und Mehrkosten

Die BVG- und S-Bahn-Sozialkarte bleibt weiterhin erhalten, doch müssen die Bezirke seit Anfang des Jahres den Zuschuß für die Karte bezahlen. Dagmar Ulrich, Sprecherin der Sozialverwaltung, erklärte gestern, ihre Verwaltung bereite als Koordinationsstelle die Ausgabe der Sozialkarte in den Bezirken vor.

Die aus Spargründen im Sommer 1996 für zwei Monate abgeschaffte Karte wurde im September wieder eingeführt und bis Ende 1996 von der Senatswirtschaftsverwaltung mit knapp dreißig Mark subventioniert. 40 Mark müssen die EmpfängerInnen selbst zahlen. Eine weitere Finanzierung lehnt sowohl die Wirtschafts- als auch die Sozialverwaltung ab. Dagmar Ulrich: „Wir sind für die Karte nicht zuständig, da es sich um eine Sozialhilfeangelegenheit handelt, die den Bezirken obliegt.“ Für die Wirtschaftsverwaltung ist die Karte dagegen eine „soziale Aufgabe“.

Laut Dagmar Ulrich müssen die Bezirke jetzt schon die Kosten für die Karte übernehmen, weil der Sozialkarten-Vertrag, der vergangenen Jahr abgeschlossen wurde, dies „ausdrücklich vorgesehen habe“. Die Bezirke hätten damals durch den Rat der Bürgermeister ihre Zustimmung gegeben. Doch in den Bezirken gibt es Widerstand. Der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz von den Bündnisgrünen ärgert sich über die „Mehrarbeit“ und befürchtet eine „Einzelfallprüfung“ für jeden einzelnen Sozialhilfeempfänger. Kreuzberg hat rund 28.000 HilfeempfängerInnen. Bislang erhielten BVG und S-Bahn für jede Sozialkarte einen Landeszuschuß, den Berechtigungsantrag stellte das Sozialamt aus.

Schulzes Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sieht die Regelung dagegen gelassener: „Es wird wohl nicht anders möglich sein, als daß die Bezirke die Kosten übernehmen müssen.“ Wenn die Beiträge der Sozialhilfe an die Bezirke sich zukünftig an den tatsächlichen Ausgaben orientierten, dann gebe es damit keine finanziellen Schwierigkeiten. Auch die Neuköllner Sozialstadträtin Stefanie Vogelsang (CDU) geht zukünftig von einem „sehr hohen Verwaltungsaufwand“ aus. Die Sozialkarte ist nach ihrer Ansicht nämlich keine „originäre Aufgabe der Sozialhilfe“, die von den Bezirken getragen werden müsse. Nur 15.000 der 36.000 SozialhilfeempfängerInnen in Neukölln seien arbeitsfähig und bräuchten eigentlich deshalb ein Sozialticket. Hier müßte jetzt womöglich jeder Einzelfall geprüft werden. Die Sozialkarte sei eine „Errungenschaft des Landes“ und sollte von dort auch weiter für alle finanziert werden, so die Sozialstadträtin. Julia Naumann

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