: Erster Ruanda-Prozeß vor UN-Tribunal in Arusha
■ Angeklagter erklärt sich unschuldig. Kamerun liefert weitere Beschuldigte aus
Nairobi (dpa) – Wegen fehlender Zeugen ist der erste Prozeß um den Völkermord in Ruanda vor einem UN-Gerichtshof gestern kurz nach seiner Eröffnung im tansanischen Arusha unterbrochen worden. Bei der Anreise der ersten drei Zeugen aus Ruanda, die gegen den wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten früheren Bürgermeister Jean-Paul Akayesu aussagen sollten, habe es „administrative Probleme“ gegeben, teilte eine Sprecherin des Tribunals mit.
Der Vorsitzende Richter Laity Kama aus Senegal habe den Prozeß deshalb auf heute vertagt. Die Anklage will fast ausschließlich durch die Befragung von Zeugen den Beweis führen, daß der heute 43jährige Akayesu im Frühjahr 1994 in seiner Heimatgemeinde Taba die Ermordung von mehr als 2.000 Angehörigen des Tutsi-Volkes durch Todesschwadronen der Hutu-Milizen Interahamwe befehligt und mehrfach selbst gemordet hat. Insgesamt waren von April bis Juni 1994 mehr als eine halbe Million Tutsi sowie Tausende als oppositionell geltende Hutu mit Buschmessern, Mistgabeln, Granaten und Handfeuerwaffen von Hutu-Banden und der Hutu-Armee umgebracht worden. Der Angeklagte erklärte sich zu Beginn des Prozesses für unschuldig.
Falls die drei Richter des UN- Tribunals Akayesu verurteilen, droht ihm wie den bisher 20 weiteren vor dem UN-Tribunal angeklagten mutmaßlichen Haupttätern maximal eine lebenslange Gefängnisstrafe. Anders als bei den parallel ablaufenden Völkermord- Prozessen in Ruanda selbst kann der UN-Gerichtshof keine Todesstrafe verhängen. In Ruanda wurden vergangene Woche im ersten dortigen Prozeß zwei Hutu nach nur 14 Stunden zum Tode verurteilt, ohne daß ihnen eine Anwalt zur Seite stand.
Unterdessen teilte das UN-Tribunal mit, daß die Regierung von Kamerun der Auslieferung von vier weiteren mutmaßlichen Haupttätern zugestimmt hat. Unter ihnen befänden sich der frühere Stabschef der ruandischen Armee, Theoneste Bagosora, sowie der frühere Chef des Armeegeheimdienstes, Anatole Nsengiyumva. Sie sollten in den nächsten Wochen dem UN-Gerichtshof in Arusha überstellt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen