Waigel hofft auf Mitzahler

Müssen auch die Länder bluten, wenn Deutschland im Euro-Zeitalter wegen eines zu hohen Defizits zu Strafzahlungen verurteilt wird?  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Es geht um Milliarden. Und es geht um die Budgethoheit der Bundesländer, wenn erst der Euro da ist und damit auch der Stabilitätspakt, zu dem Finanzminister Theo Waigel seine EU-Kollegen im Dezember 1996 in Dublin überredet hat.

Rund sieben Milliarden Mark Strafe müßte Deutschland heute in die EU-Kasse einzahlen, wenn der Euro bereits offizielle Währung wäre. Denn das Haushaltsdefizit ist zur Zeit größer als die drei Prozent, die nach den Stabilitätskriterien erlaubt sind. In die Berechnung ein gehen dabei die gesamten Defizite der öffentlichen Hand – also die vom Bund, den Ländern und Kommunen.

Doch von wessen Konto werden mögliche Bußgelder ab 1999 tatsächlich abgebucht werden? Ausschließlich vom Konto des Bundes, wie das vor allem diejenigen Bundesländer gerne sehen würden, die in ihrer Landeskasse die Stabilitätskriterien erfüllen? Oder werden die Länder und auch die Kommunen von Waigel mit zur Kasse gebeten werden? In einem Diskussionspapier aus dem Bundesfinanzministerium vom vergangenen Juni heißt es dazu, daß die Länder auch für ihre Kommunen zuständig seien, da sie über das rechtliche Instrumentarium zur Beeinflussung der Kommunalhaushalte verfügten. Sollen also die Bundesländer im Krisenfall auch noch ihren Städten und Gemeinden das Geld aus den ohnehin leeren Kassen ziehen?

Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Das jedenfalls ist die von Waigel nach dem Gipfel von Dublin ausgegebene Parole. Zum nationalen Haushaltsdefizit, so eine Sprecherin aus dem Bundesfinanzministeriem, trügen schließlich auch die kumulierten Haushaltsdefizite der Länder und Kommunen ihren Anteil bei. Ein „nationaler Stabilitätspakt“ zur Umsetzung der Beschlüsse von Maastricht II und Dublin müsse deshalb her, heißt es im Bundesfinanzministerium. Das Ziel: volle Einbindung der Bundesländer in die nationale Stabilitätspolitik im Rahmen der „Euro-Norm“. Und Beteiligung der Bundesländer an den finanziellen Lasten, die entstehen, wenn diese nationale Stabilitätspolitik scheitern sollte.

Daran schließt sich die nächste Frage an: Muß diese angestrebte Vereinbarung mit den Ländern als Gesetz konzipiert werden und dann auch den Bundesrat passieren? Dazu vermochte die Sprecherin im Bundesfinanzministerium nichts zu sagen. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD), hatte bereits vor Wochenfrist erklärt, daß sich die für 1999 geplante Einführung des Euros noch verzögern könnte – nämlich dann, wenn sich der Bundesrat entschieden querlegt.

Das Finanzministerium hofft unterdessen auf Beratungen von Bund und Ländern über den „nationalen Stabilitätspakt“ im kommenden Frühjahr. Wenn man dort zu einer Einigung komme, sei der Bundesrat, in dem die SPD-regierten Bundesländer in der Mehrheit sind, keine Hürde mehr für die Verabschiedung eines entsprechenden „Stabilitätsgesetzes“.

Im Hause Waigel scheint man die vorschnelle Rechnung allerdings ohne die Wirte gemacht zu haben. Klaus-Peter Schmitt-Deguelle, Staatsekretär in der hessischen Staatskanzlei und Sprecher der Landesregierung, besteht zum einen auf ein „ordentliches nationales Gesetzgebungsverfahren“. Der Beschluß von Dublin sei zwar noch gerade so vom Maastricht-Vertrag abgedeckt, den Bundestag und Bundesrat verabschiedet haben. Doch die konkrete Umsetzung in nationales Recht, die Festlegung, wer bei Strafgeldzahlungen mit dran ist, müsse zwingend in Bundestag und Bundesrat beraten werden. Hessen jedenfalls, da ist sich Schmitt-Deguelle sicher, werde sich „nicht in Haftung nehmen“ lassen, falls Deutschland nach Einführung des Euros wegen Nichteinhaltung der Stabilitätskriterien zahlen müsse. Das Land erfülle schließlich alle Stabilitätskriterien. „Für eine Regelung, bei der die Länder mitbluten müssen“, meinte er weiter, „wird Waigel wohl noch nicht einmal die Zustimmung aller CDU- regierten Länder kriegen.“

Daß die Bundesländer von Bonn monetär in die Pflicht genommen werden sollen, schmeckt auch der SPD/FDP-Landesregierung in Rheinland-Pfalz nicht. Der Beschluß von Dublin, so etwa der Europaexperte der Landesregierung in der ständigen Vertretung des Landes in Bonn, Peter Rohland, sei „nicht gerade von ökonomischer Weitsicht geprägt“. Denn wenn ein Land der EU bei Nichterfüllung der Stabilitätskriterien auch noch Strafe zahlen müsse, habe es dieses Land danach doch noch schwerer, zu diesen Stabilitätskriterien zurückzufinden.

Noch sei in Rheinland-Pfalz allerdings keine Entscheidung darüber gefallen, wie sich das Land bei den Beratungen über den „nationalen Stabilitäspakt“ verhalte. Doch gegen eine generelle finanzielle Beteiligung der Bundesländer an der Aufbringung von Strafgeldern spreche alleine schon die verfassungsrechtlich garantierte Budgethoheit der Länder. Und im übrigen erfülle auch Rheinland-Pfalz alle Stabilitätskriterien.

Sollen etwa nur die ärmsten Bundesländer, die diese Stabilitätskriterien nicht erfüllen, wie etwa Mecklenburg-Vorpommern oder das Saarland, von Waigel geschröpft werden? Das könne wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluß sein, meint Rohland.

Ein Wackelkandidat in Sachen Stabilitätskriterien ist das CDU/ SPD-regierte Thüringen. Dort legt der Sprecher der Landesregierung, Hans Kaiser, großen Wert auf die Feststellung, daß das Land „im Augenblick“ beim Butget die Stabilitätskriterien erfülle. Im Gegensatz zu seinen Kollegen in Hessen und Rheinland-Pfalz vertritt Kaiser die Auffassung, daß es „nur gerecht“ sei, wenn die Bundesländer auch die möglichen negativen Folgen der Währungsunion mittragen müßten. Finanzminister Waigel und Thüringens Ministerpräsident Vogel – eine Front? Das wird nicht reichen für den „Stabilitätspakt für Europa“.