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Parfümiertes Diva-Fossil

■ Hildegard Schmahl zeigt in „Meisterklasse“ am Thalia Theater eine Maria Callas, die keinen Erfolg verdient hat

Sie wurde beleidigt, geschmäht und betrogen. Und als Maria Callas im Dezember 1958 die Römer Oper in der Pause einfach verließ, weil sie, krank und fiebrig, ihren eigenen Norma-Kompromiß nicht ertragen konnte, saßen die anschließenden Schmähungen der Presse und der Kollegen besonders tief.

Doch der Callas gelang ein triumphaler Gegenschlag. Vier Monate später trat sie in Anna Bolena in der Mailänder Scala auf die Bühne, holte eine Arie aus Zwergfell, Wut und Stolz heraus und legte in die Coloraturen so eine wuchtige Meisterschaft, daß jeder Ton, jedes Tremolo wie kleine Ohrfeigen auf das Publikum niederklatschten. Der Dirigent ließ den Taktstock fallen, um zu applaudieren, und der begeisterte Saal konnte sich minutenlang nicht beruhigen. Maria Callas hatte sich – so die Legende – an diesem Tag noch einmal selbst geschaffen.

Die Diva ist um die fünfzig und hat nicht mehr viel vor. Nur ihren eigenen Abgang gilt es noch möglichst virtuos zu gestalten. Die Callas, ein Fossil aus glücklicheren Tagen, vom Leben gründlich besiegt – so zeigt sie das Theaterstück Meisterklasse aus der Feder des Broadway-Dramatikers Terence McNally, das das Thalia nun unter der Regie von Niels-Peter Rudolph auf die Bühne geholt hat.

Hildegard Schmahl demontiert als ausgemusterte Maria Callas ausgiebig die Nachwuchssoprani-stinnen und ambitionierten Tenöre ihrer Meisterklasse. In ihren besten Momenten gibt Schmahl sich als scharfzüngige Tyrannin, die aus ihrer malträtierten, vom Vergessen bedrohten Gestalt ironische Funken zu schlagen weiß. Das wird die eigenen Einzigartigkeit mit amüsanten Zickereien und ausgemachten Tiefschlägen verteidigt, wird getreten und wieder aufgebaut, damit der nächste Hieb die Verschüchterten umso kleiner staucht.

Dezent schwankt Schmahl im ersten Teil zwischen senilem Starrsinn und plötzlicher Vitalität. Doch dann ist es aus mit Wortwitz und Rasanz, hängt das Bühnenstück durch. Die Legende soll selbst auf die Bühne gestemmt werden, Schmahl setzt an, sich als Callas wiederzuerschaffen. Versonnen hockt sie im Lichtkegel, der Rest der Bühne und der Zuschauerraum treten zurück, sind zum ersten Mal richtig dunkel und werden schließlich per Dia- und Filmprojektion erst zur Mailänder Scala, und später, wie keck, zum Thalia Theater, in dem das Publikum stehend und frenetisch tobend seine Ehrfurcht bekundet.

Schmahl seufzt dazu, schmachtet, stöhnt, speizt und wiegt sich in wonnevolle Abgründe und vermag von der seelenverkaterten Diva-Existenz doch nur parfümierte Melancholie zu versprühen. In trivialen Selbst-Analysen werden böse Mutter und stets beneidete Schwester zur Konstruktion hausbackener Komplexe bemüht und als Spukgestalten in jedem Publikum erkannt. Doch Schmahls Callas-Darstellung fällt nicht nur der eigenen Maßlosigkeit, sondern vor allem der ausbleibenden Gegen-

steuerung der Regie und schlimm sentimentalen Textpassagen zum Opfer.

Das Stück endet mit einer pointen- und hilflosen Geste. Callas erklärt sich und ihr Leben in der Kunst noch einmal dem Publikum. Dann baut sie hinter zusammengerafftem Stolz und alten Verletzungen noch einmal monumentale Trauer auf, statt sich einfach den Nerz überzuwerfen, Sonnenbrille und Chaneltäschchen zu nehmen und abzutreten. (Im Film hätte das Bild sie jetzt für die Ewigkeit eingefroren. Hier soll ein Sentimentalitäten-Tusch dasselbe besorgen.)

Birgit Glombitza

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