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Man weiß ja nie, wer zuhört

Im westafrikanischen Togo ist es unklug, die Regierung laut zu kritisieren. Unabhängige Stimmen werden mehr oder minder subtil mundtot gemacht  ■ Aus Lomé Daniel Stroux

Die Ventilatoren summen; bei 32 Grad im Schatten müssen sie im überdachten Restaurant einiges leisten. Auf den Tischen steht Weißbier, dazu Würstel mit Sauerkraut, Kartoffelsalat, Fleischspieße – alles, was das weiß- blaue Herz begehrt. Nur liegt das Lokal „Marox“ 6.000 Kilometer südlich von Bayern – in Lomé, der Hauptstadt des westafrikanischen Togo. Zwar ist der Supermarkt des gleichnamigen bayerischen Fleischkonzerns hier inzwischen pleite gegangen, aber das Restaurant wird weitergeführt. Man spricht Deutsch, auch das Bier in Togo wird noch von einem Deutschen gebraut. Ein Hauch von Biergarten liegt in der Luft.

„Was wollen die hier?“ fragt der einheimische Begleiter angesichts des etwas lauten Herrn, der sich mit zwei weiblichen Begleitungen an den Nachbartisch gesetzt hat, obwohl das Restaurant nur halb besetzt ist und auch noch andere Tische frei sind. Unser Begleiter senkt die Stimme: „Das bleibt doch unter uns...“, sagt er und erzält halblaut weiter: „Neulich hat ein deutscher Parlamentarier die Universität besucht und das Gespräch mit den Studenten gesucht. Als er zum Abschluß der Diskussion fragte, ob die Studenten mit der politischen Lage zufrieden seien, kam keine Reaktion. Warum? Jeder fürchtete, der Nachbar könnte ihn verraten.“ Sein Fazit: „Die Leute sind resigniert, die Angst kehrt zurück.“

Noch vor drei Jahren war dieser Universitätsangestellte anders eingestellt. Da sprach er laut und freute sich, endlich ungestört und ohne Angst vor ungebetenen Lauschern über Politik in Togo reden zu können. Heute nennt er als klarstes Indiz, daß die Schrauben wieder angezogen werden, das Staatsfernsehen, das jetzt wieder inszenierte Unterstützungsmärsche für den Präsidenten überträgt. „Die Leute werden gekauft, jubeln und halten hetzerische Reden gegen die Opposition. Das macht Angst.“

Anfang der 90er Jahre hatte Präsident Gnassingbé Eyadéma – der sich heute vor 30 Jahren an die Macht putschte – wie viele andere afrikanische Diktatoren angesichts immer stärkeren Protestes im Lande den Einparteienstaat abschaffen müssen. Seine Partei, „Sammlung des Togoischen Volkes“ (RPT), verlor sogar bei den Parlamentswahlen von 1994 die absolute Mehrheit. Aber inzwischen hat sich das wieder geändert. Bei Nachwahlen im August 1996 gewann die RPT drei Parlamentssitze, die ihr nun zusammen mit der Zwei-Mann-Fraktion der kleinen UJD die absolute Mehrheit im Parlament geben. Seitdem ist die Regierung wieder fest in Eyadémas Händen. Nach Meinung zahlreicher Gesprächspartner ist damit die Demokratisierung Togos nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern auf dem Rückzug.

Im Fernsehen lieben alle den Präsidenten

Die drei besagten Parlamentssitze hatte bei den Wahlen im Februar 1994 eigentlich die Opposition gewonnen. Der von Eyadéma-loyalen Richtern besetzte Oberste Gerichtshof annullierte das jedoch auf Veranlassung der RPT. Die RPT brauchte somit nur auf die Neuwahlen zu warten und blockierte in der Zwischenzeit alle Versuche des Parlaments, durch personelle Veränderungen politische Reformen festzuklopfen – zum Beispiel bei der Besetzung des Obersten Gerichtshofes, der Rundfunkbehörde und der staatlichen Menschenrechtskommission. Seitdem die RPT wieder die volle Mehrheit hat, trifft nun Eyadéma nach alter Manier wieder die wichtigen Entscheidungen – mit der absoluten Mehrheit im Parlament abgesichert. Der angesehene, aber farblose RPT-Politiker Kwassi Klutse wurde Premierminister. Mit ihrer Mehrheit konnte die RPT die bisher blockierten Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen – nach eigenem Gusto.

Zum Beispiel Herr Assoumana: Er ist der Vorsitzende der Nationalen Kommission für Menschenrechte. Weil ihr letzter Vorsitzender ins Exil ging und der Posten aufgrund der Blockade im Parlament leer blieb, arbeitete die Kommision bis Herbst letzten Jahres überhaupt nicht. Dann schenkte ihr die RPT-Mehrheit mit Assoumana einen Vorsitzenden, der Togos Menschenrechtsbilanz hervorragend findet: Es gebe keine politischen Gefangenen und keine politisch Verfolgten mehr. Aus Deutschland zurückgeschickte abgelehnte Asylbewerber würden ohne Probleme aufgenommen. Mit amnesty international arbeite man zusammen – doch befragt über die jüngeren Berichte von ai, die von verbreiteten Menschenrechtsverletzungen in Togo sprechen, muß der Chef der Menschenrechtskommission passen.

Kofimessu Devotsou, Vorsitzender einer unabhängigen Menschenrechtsgruppe, sagt: „Das Regime beginnt nach und nach seine Macht zurückzuerobern.“ Zwar habe die offene Verfolgung Andersdenkender nachgelassen. Aber „man setzt wieder mehr auf Einschüchterung und Denunziation.“ Politische Anschläge würden als Raubüberfälle getarnt, anschließend bedauerten die Behörden die zunehmende Kriminalität. Gefragt nach dem Schicksal abgeschobener togoischer Asylbewerber aus Deutschland, bleibt er vage. „Ja, es gibt Fälle von Verfolgung“, sagt Devotsou, aber er will keine Einzelheiten nennen.

„Wir üben Selbstzensur“, sagt ein ehemaliger Redakteur einer Oppositionszeitung. „Das Damoklesschwert schwebt über uns.“ Der Redakteur saß acht Monate im Gefängnis, weil er 1994 geschrieben hatte, wieviel Präsident Eyadémas neuer gepanzerter Mercedes kostete. Dieses Jahr schrieb er daraufhin drei Artikel über seine Erfahrungen im togoischen Gefängnisalltag.

Die wichtige Oppositionszeitung Le Démocrate wurde mittlerweile vom Regime geschlossen. Die einzige private Radiostation verzichtet auf politische Nachrichten – nach einer eindeutigen Warnung von oben. Das staatliche Fernsehen zeigt am liebsten, wie der Präsident Gäste empfängt. Manchmal werden die Bilder bewußt falsch kommentiert. Westliche Botschafter vermeiden es inzwischen, gefilmt zu werden: Sie fühlen sich der Propaganda des Regimes ausgeliefert.

Deutschland ist in Togo nicht nur als frühere Kolonialmacht und wegen des Weißbiers wichtig. Die Regierung wünscht sich dringend eine Wiederaufnahme der deutschen Entwicklungshilfe. Die wurde eingestellt, nachdem Togos Armee am 25. Januar 1993 vor den Augen einer deutsch-französischen Vermittlungsdelegation auf eine Demonstration der Opposition geschossen und 25 Menschen getötet hatte. Nun sagt Nachaba, RPT-Fraktionsvorsitzender im Parlament und Exaußenminister: Man habe Wahlen abgehalten, das Parlament erfülle „seine Pflichten“ – es sei nun an der Zeit, daß Deutschland seine Entwicklungszusammenarbeit wiederaufnehme. Der Präsident der größten Oppositionspartei, CAR, Yao Agboyibor, sagt hingegen: „Die Deutschen müssen uns bei der Demokratisierung helfen.“

Agboyibor fürchtet, daß Eyadémas Partei nach dem Wiedererringen der absoluten Mehrheit im Parlament nun die Zweidrittelmehrheit ansteuert, mit der sie die Verfassung aus dem Jahr 1992 umschreiben könnte. In dieser Verfassung, die zu Zeiten des stärksten Protests gegen Eyadéma per Volksentscheid angenommen wurde, ist die Macht des Präsidenten stark beschnitten, und es gibt Vermutungen, daß der das wieder ändern will. Zwei CAR-Abgeordnete sind bereits im Herbst zur RPT übergelaufen. „Sie haben sich kaufen lassen“, sagt Agboyibor. Eine togoische Zeitung veröffentlichte bereits eine Liste von zehn weiteren potentiellen Überläufern. „Das wird Eyadéma nicht schaffen“, meint der CAR-Chef. Aber er wirkt verunsichert.

Haidara, der Vorsitzende der sechsköpfigen UTD-Fraktion – sie versuchte 1994 bis 1996, in Koalition mit der RPT die Demokratisierung zu festigen –, sieht die Lage auch nicht rosig. „Nachdem die RPT nun die absolute Mehrheit besitzt, werden ihre Gesetzesprojekte schnell durchgezogen“, sagt er. „Eyadéma ist nicht der einzige. Es gibt zu viele, die an ihren Privilegien festhalten.“ Und er meint: „Eyadéma war fast 30 Jahre ein Alleinherrscher. Er kann nicht anders. Er ist ein Militär.“

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