: Gefesselt im Sterbebett
■ Britische Verbrechensbekämpfung: Untersuchungshäftling in Wales wurde schwer krebskrank ans Bett gefesselt und starb
Dublin (taz) – Wenn es darum geht, Härte zu demonstrieren und Sicherheitsaspekte in den Vordergrund zu rücken, gibt es in Großbritannien offenbar keine Schamgrenzen mehr. Am Wochenende wurde bekannt, daß ein sterbender Untersuchungsgefangener in Wales bis kurz vor seinem Tod mit Handschellen ans Krankenhausbett gefesselt war. Der 25jährige Geoffrey Thomas war Anfang Dezember wegen versuchten Einbruchs verhaftet worden. Weihnachten brach er mit starken Schmerzen zusammen, die Ärzte diagnostizierten Magenkrebs im letzten Stadium.
Erst am Silvesterabend wurde er ins Marie-Curie-Krebszentrum in Cardiff verlegt. Seiner Familie teilte man mit, daß Thomas nur noch wenige Tage zu leben habe. Dennoch fesselte man seine Füße ans Bett, die Proteste der Ärzte wurden ignoriert. Als die Fußknöchel zu sehr anschwollen, fesselte man ihn statt dessen an den Händen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr laufen konnte. Am 3. Januar verfügte ein Gericht seine Freilassung auf Kaution, doch Thomas lag bereits im Koma. Erst jetzt nahm man ihm die Handschellen ab. Zwei Stunden später war er tot.
Die Gefängnisleitung behauptet, man habe nicht gewußt, wie krank Thomas war. Die Ärzte im Marie-Curie-Zentrum bestreiten das: Die wachhabenden Beamten hätten den Gefängnisdirektor täglich unterrichtet, sagte Dr. Ilora Finlay.
Stephen Shaw von der Stiftung für Gefängnisreformen sagte: „Man kann die letzten Stunden seines Lebens kaum würdeloser verbringen, als wie ein Tier angekettet zu sein. Wir haben die Sicherheit zum Fetisch erhoben, die Menschlichkeit ist dabei auf der Strecke geblieben.“ Die Gefängnisbehörde hat nun eine Untersuchung eingeleitet.
Tories und Labour vereint gegen Obdachlose
Unterdessen verkündete David Maclean vom britischen Innenministerium, daß die meisten Bettler auf Londons Straßen aus Schottland stammten und freiwillig im Freien übernachteten. „Bettler finden das angenehm“, sagte Maclean, der selbst aus Schottland stammt. „Ich gebe ihnen stets etwas: meine Meinung. Es gibt keine echten Bettler.“
Unterstützung erhielt er von seinem Parteifreund Terry Dicks. „Ich bin mir zwar nicht sicher, ob sie allesamt Schotten sind“, sagte er, „aber ich finde, Bettler sollten mit Wasserschläuchen von der Straße gespült und ihre Pappstädte zerstört werden.“ Obdachlosen- Organisationen, die Schottische Nationale Partei und die katholische Kirche verurteilten die Angriffe auf Bettler und Obdachlose, die im Zuge des beginnenden Wahlkampfes mit weiteren Attacken rechnen müssen.
Denn nicht nur die Tories, auch Labour haben Law and order zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Beide versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Labour-Chef Tony Blair hatte vorige Woche in einem Interview mit der Obdachlosen-Zeitschrift The Big Issue erklärt, er werde Bettler und Obdachlose von der Straße vertreiben. Sein innenpolitischer Sprecher Jack Straw hatte im Frühjahr die „Squeegie Merchants“, die an roten Ampeln Autoscheiben waschen, als Staatsfeinde identifiziert und ihnen den Kampf angesagt. Ralf Sotscheck
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