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Keine Ohrenzeugin

■ Zeugin im Lübecker Brandprozeß bestreitet ihr zugeschriebene Aussage

Mit dem Vorhalt von Staatsanwalt Michael Böckenhauer konnte Mvola Katuta Eyenge nichts anfangen. Die Aussage, die ihr das ohne Dolmetscher erstellte polizeiliche Vernehmungsprotokoll zuschreibt, könne von ihr so nie gemacht worden sein. Von einem Streit im ersten Stock, den die ehemalige Bewohnerin des abgefackelten Flüchtlingsheimes in der Lübecker Hafenstraße wenige Stunden vor Brandausbruch wahrgenommen habe, ist in den Akten die Rede. „Wie hätte ich das hören sollen?“ fragt die Zeugin. Schließlich sei sie schwerhörig und trage erst seit drei Monaten ein Hörgerät.

Dafür kann sich die Afrikanerin, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter im Erdgeschoß der MigrantInnenunterkunft gelebt hat, am 30. Prozeßtag gegen den Libanesen Safwan Eid vor dem Lübecker Landgericht an etwas anderes genau erinnern: Wie vor ihr schon andere ehemalige BewohnerInnen des Hauses, berichtet sie, daß mindestens ein Fenster im hölzernen Vorbau des Flüchtlingsheims nicht fest verschließbar gewesen sei.

Und noch etwas weiß die Zeugin genau: Gleich nachdem sie sich aus einem Fenster ins Freie gerettet hätten, habe sie bemerkt, daß der Vorbau des Hauses bereits in Flammen stand. Hier vermutet die Verteidigung von Safwan Eid den Ausbruchsort des Feuers, während die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, daß der Brand im ersten Stock des Hauses gelegt wurde.

Vor der Vernehmung der Afrikanerin hatte die Verteidigerin Barbara Klawitter heftige Kritik an den Vernehmungsmethoden der Staatsanwaltschaft geübt. Die Vertreter der Anklagebehörde hätten bei der Befragung von Marie Agonglovi am vorigen Mittwoch durch bohrende Nachfragen nach den verschiedenen Vätern ihrer Kinder und mutmaßliche Erziehungsschwierigkeiten tief in die Privatsphäre der Zeugin eingegriffen. Dabei sei es statt um die Aufklärung der Tat nur darum gegangen, die Glaubwürdigkeit von Marie Aglonglovi in Frage zu stellen.

Marco Carini/Christian Eggers

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