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Fürchtet die einheimischen Vandalen!

■ Der Architekturhistoriker Roderich Fuhrmann kämpft gegen Einheitssanierung historischer Bauten / Fotoausstellung

Wenn Roderich Fuhrmann, Professor für Musikpädagogik und Architekturgeschichte an der Bremer Hochschule, über den richtigen Umgang mit Altbauten spricht, ist er kaum noch zu bremsen. Beherzt schimpft er dann über Politik, den Denkmalschutz und die Baumärkte. Ins Schwärmen aber gerät er, wenn es um traditionelle Baustoffe geht:

„Alte Häuser werden abgerissen für Neubauten mit Fünf-Jahresgarantie. Sie bestehen aus Bauteilen, deren Lebensdauer stark gesunken ist: Ein Holzschindeldach hielt 100 Jahre, ein Bitumendach keine 20; ein Kachelofen stand 80 Jahre, ein „moderner“ Heizkessel ist heute bereits nach 15 Jahren veraltet; traditionelle Holzfenster und Türen überdauerten ganze Generationen, der Weichmacher in Kunststoffenstern hält gerade 15 Jahre. Wer denkt schon über die synergistische Gesamtbilanz einer derartigen Baupolitik nach?“

Seit 20 Jahren reist Roderich Fuhrmann mit Ehefrau Carola, die von der Chemielaborantin zur ökologisch orientierten Sanierungsfachfrau konvertierte, durchs deutsche Land und fotografiert die eklatantesten Bausünden, begangen an Bauern- und Bürgerhäusern, Kirchen und Schlössern. Ein Teil der Dokumente ist seit gestern im Rahmen einer Ausstellung im Bildungswerk der Konrad-Adenauer-Stiftung (Martinistr. 25) zu sehen. Der Titel der Fotodokumentation „Sanieren statt planieren“ ist Programm: Dem engagierten Ehepaar geht es nicht allein darum, die immer wieder auftauchenden Fehler bei der Altbausanierung aufzuzeigen. Indem die Fuhrmanns auf gelungene Problemlösungen verweisen, hoffen sie, solchen Sünden auch praktisch beizukommen.

„Der Denkmalschutz läßt die Bürger im Stich. Er erläßt Vorschriften, sagt den Menschen aber nicht, wie sie die umsetzen können“, begründet der Professor das doppelgleisige Vorgehen. Niemand erkläre den Leuten, wie sie etwa ein altes Fachwerkhaus auf lange Sicht hin, also nach ökologischen Prinzipien sanieren können. Da wird stattdessen eine Ecke verklinkert, dort wird mit Schaum gedämmt, ein Plastikfenster oder eine -tür eingesetzt. So wie es der Baumarkt dem potentiellen Selbermacher im Regal vorhält.

Genormt sei auch die Ideologie, die der Baumarkt verbreite, schimpft Fuhrmann. „Wenn die behaupten, Sanierung sei teurer als Neubauen, dann ist das ein Märchen, eine Lüge“, mit dem alleinigen Zweck zu verkaufen. Doch die Rechnung gehe nicht auf. Schon gar nicht, wenn man die langfristigen Kosten für die Umwelt einkalkuliere.

So wie die neuen Baustoffe die Häuser ersticken, – 90 Prozent der historischen Möbel sind seit 1900 durch die Zentralheizung kaputtgegangen – so scheinen sie auch das ästhetische Empfinden der Menschen zu dämpfen. „Bauwerke sind die Abzeichen des Menschen“, mahnt der Professor, „sie sind Dokumente unserer Geschichte“. Darum gelte es, sie möglichst im Originalzustand zu erhalten. „Schließlich wird Urkundenfälschung sonst auch bestraft.“

Allein bezüglich der Architektur mangele es an einem entsprechenden Gesetz. Die Instrumente des Denkmalschutzes, welcher der Baubehörde fälschlicherweise nachgeordnet ist, reichen nicht aus, moniert der Bauhistoriker. Sie können nicht verhindern, daß ehrwürdige Bauten einer Autobahn weichen müssen, daß eine Kirche zum Supermarkt, ein Handwerkerhaus zum Jeansshop umgemodelt werden. Übertrieben?

In Bremen wurde ein Teil der Ansgariikirche für das Hertie-Warenhaus abgerissen. Das Lloyd-Gebäude wurde dem Erdboden gleichgemacht, ebenso das Opernhaus in den Wallanlagen. Am Domshof konnte der Denkmalsschutz neben der Bremer Bank lediglich die Fassade retten, nach hinten hin ist, wenig passend dazu, alles modernste Bauweise.

Dann schon lieber Abriß als so ein „Feigenblatt“, meint Fuhrmann. „Wenn diese Mentalität weiter um sich greift, dann wird man wohl bald den Kölner Dom zum Parkhaus umbauen.“ Ihn ärgert, daß heutzutage als erstes der Zweck eines Gebäudes festgelegt wird, bevor die Frage folgt, welche Teile wie saniert werden. Es müßte umgekehrt sein, wünscht sich der Historiker. Zunächst müsse man wieder herstellen, und dann das Gebäude befragen, welchem Zweck es dienen könne. Schließlich gehe es um die Frage: „Was hinterlassen wir unseren Kindern?“

Umwelt- und Denkmalschutz gehören zusammen, propagieren die Fuhrmanns einen ganzheitlichen Ansatz. Dabei berufen sie sich gern auf einen namhaften Vorgänger, den Architekten Paul Schultze-Naumburg. Der schrieb schon 1804 anläßlich der Gründung des „Bundes Heimatschutz“: „Einen fremden Eindringling haben wir nicht zu befürchten, wohl aber die einheimischen Vandalen.“ dah

Die Ausstellung ist zu sehen: Mo. bis Do. von 9-12 Uhr und 14-16 Uhr, Fr. von 9-12 Uhr.

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