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Volle Breitseite für Möller und Müller

■ Elbmarsch-Leukämie: Bürgerininiative erhebt Vorwürfe und Klage gegen Kieler Ministerien Von Marco Carini

Eugen Prinz trägt sein Herz auf der Zunge. Der Sprecher der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, nie zimperlich in der Wahl seiner Worte, holte bei seiner Bilanz der vierjährigen Leukämie-Ursachenforschung zum Rundumschlag aus. Zielscheibe seiner Verbalattacke: das schleswig-holsteinische MinisterInnen-Duo Edda Müller (Umwelt) und Claus Möller (Energie). Beide hätten, so der BI-Sprecher, die Leukämie-Ursachenforschung in „verfassungsfeindlicher“ Art und Weise behindert.

Dem Kieler Energieminister Claus Möller wirft Prinz vor, „eine umfassende und uneingeschränkte Untersuchung des Atomkraftwerks Krümmel verhindert“ zu haben. Das Öko-Institut Darmstadt, das den Reaktor inspizierte, hätte „nur nach einer großen Freisetzung, nicht aber nach Dauer-Leckagen aus diffusen Quellen fahnden“ dürfen. Zudem hätten die Leukämie-Kommissionen bis heute nicht die Erlaubnis bekommen, „die Rohdaten der aktuellen Monatsberichte des Atomkraftwerks Krümmel einzusehen“. Prinz: „Betriebsgeheimnisse darf es bei der Kontrolle von Atommeilern nicht geben.“

Volle Breitseite nach Prinzen-Art auch gegen Kiels Umweltministerin Edda Müller: Sie hätte Ministeriums-Mitarbeiter Gustav Sauer „einen Maulkorb verpaßt“. Denn Sauer, der früher die Abteilung für Reaktorsicherheit im Kieler Energiemisterium leitete, durfte auf Geheiß seiner heutigen Vorgesetzten nicht vor der Leukämie-Kommission erscheinen, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Lapidare Begründung von Ministeriums-Sprecher Wolfgang Götze: „Herr Sauer ist für die Reaktorsicherheit nicht mehr zuständig.“ Für Eugen Prinz aber ist das Auftrittsverbot des Spitzenbeamten vor der Kommission „ein klarer Verstoß gegen die grundgesetzlich verbürgte Freiheit der Forschung“.

Der Grund für die von der Kommission ausgesprochene Einladung Sauers: Der nach seiner Bewerbung für den Vorstandsvorsitz der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) ins Umweltministerium zwangsversetzte Beamte hatte, quasi als Privatmann, seinem ehemaligen Dienstherrn im vergangenen August dringend von der sofortigen Wiederinbetriebnahme des Krümmeler Atommeilers abgeraten – mit Hinweis auf eine von der Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake verfaßten Studie mit „erheblicher Brisanz“ (Sauer). Darin lieferte die Wissenschaftlerin neue Indizien für ihre These, es habe über längere Zeiträume radioaktive Freisetzungen über das Maschinenhaus des Reaktors gegeben.

Maulkorb für Ministeriums-Mitarbeiter

Für Sauer reichten die Belege, um von Energieminister Möller den weiteren Stillstand von Krümmel zu fordern (siehe nebenstehende Dokumentation). Doch Möller setzte sich über die Bedenken seines ehemaligen Abteilungsleiters hinweg und ließ den Reaktor wieder ans Netz gehen. Die juristische Argumentation Sauers war im Ministerium gewogen und für zu leicht befunden worden: Möller mußte Schadenersatzklagen in Millionenhöhe befürchten, hätte er das Comeback des „Krümmel-Monsters“ weiter hinausgezögert.

Die Bürgerinitiative will nun gegen Claus Möller klagen, weil er nach ihrer Meinung mit der Inbetriebnahme-Erlaubnis für Krümmel „seine Aufsichtspflicht verletzt“ habe. Auch in einem anderen Fall bemühten Prinz und seine MitstreiterInnen vor kurzem die Staatsanwaltschaft. So sollen der BI Zeugenaussagen vorliegen, nach denen bei mehreren Handwerkern, die eine Außenwand des Reaktor-Maschinenhauses in Krümmel repariert hatten, bei der Ausgangskontrolle eine auffällige radioaktive Belastung gemessen wurde. Der Streit um die Ursachen der Leukämie-Häufungen und den Weiterbetrieb des Atommeilers: Er geht in eine neue Runde.

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