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Sklave aus Überzeugung

■ Fred D'Aguiar liest heute aus „Die längste Erinnerung“

Ein junger Sklave auf einer Baumwollplantage in Virginia wird für seine Flucht mit 200 Peitschenhieben bestraft. Er stirbt daran. Mit dieser Gewalttat beginnt der Ro-manerstling Die längste Erinnerung des englischsprachigen Guyaners Fred D'Aguiar. In dreizehn knappen Kapiteln beleuchtet er die Sklaverei und das, was sie mit den Menschen macht. Die Herr-Knecht-Beziehung wird aus den verschiedenen Blickwinkeln der handelnden und leidenden Menschen dargestellt – ein Kunstgriff, der die Lektüre spannend und aufregend macht.

Ganz beiläufig wird die Vielschichtigkeit des Problems deutlich. Der älteste Sklave ist ein Ausbund an Unterwürfigkeit, „Herr seiner eigenen Versklavung. Modellsklave.“ Er verhält sich zeitlebens gehorsam, zumal er die Erfahrung gemacht hat, daß sein Herr ebenfalls höflich und gerecht gegen ihn ist. So hat er kein eigenes Schicksal ohne seinen Herren, nicht einmal einen eigenen Namen. Als sein einziger Sohn flieht, verrät er ihn, denn er verurteilt diese Flucht als „impulsive Idiotie“.

Jedes der Romankapitel stellt die Sichtweise eines der Beteiligten vor, eröffnet einen anderen Blick auf das Geschehen: Die Motive des Sklavenhalters werden sichtbar, für ihn ist die Sklaverei bloß ein Geschäft; die pragmatische Denkweise des alten Sklaven erschließt sich, Auflehnung ist ihm wesensfremd; die Beweggründe für die Flucht seines Sohnes treten klar zutage – er begehrt auf, um seinen Traum von einem Leben in Freiheit zu verwirklichen. Die einzelnen Facetten, die der Roman vorstellt, ergeben schließlich ein völlig neues Bild – und plötzlich ist nichts mehr wie es schien.

„Wir müssen unser eigenes Bewußtsein ändern. Wir müssen uns mit neuen Augen sehen.“ Dieses Credo von Malcolm X scheint Fred D'Aguiar zu kennen. Jedenfalls macht sein literarisch vielstimmiger und fesselnder Roman die Unterdrückung der Schwarzen auch für uns in plastischer Form sichtbar.

Frauke Hamann

Fred D'Aguiar – Die längste Erinnerung, 160 Seiten, 32 Mark, ist soeben im Berlin Verlag erschienen. Heute liest Fred D'Aguiar um 20 Uhr im Literaturhaus

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