Populärfilmbuddhismus

■ King Hu, der Altmeister des anspruchsvollen Kung-Fu-Films, verstarb am 15. Januar in Taiwan. Sein monumentales Meisterwerk „A Touch of Zen“ bleibt unvergessen

Seit Mitte der achtziger Jahre ist das Genre des „Eastern“, in dem sich fernöstliche Kampfszenen mit populärbuddhistischen Versatzstücken verbinden, auch in westlichen Cineastenkreisen sehr beliebt. Über den Erfolgen von „Peking Opera Blues“, „Once upon a time in China“ oder „Thai-Chi Master“ geriet der Begründer anspruchsvoller Martial-arts-Filme etwas in Vergessenheit. 1966 hatte King Hu den bis dahin eher betulichen Samuraifilmen neue Dimensionen gegeben. Weil ihm die „mehr als hundert“ verschiedenen chinesischen Kampfkunstsysteme „nicht sonderlich schön anzuschauen“ schienen, verband er sie nicht nur optisch, sondern auch akustisch mit Elementen der Pekingoper.

Sein 1975 in Cannes dem Grand Prix de Technique Superieure ausgezeichneten dreistündigen Monumentalwerk „A Touch of Zen“ ist ein Meilenstein der Filmgeschichte. Hus Filme beeindrucken durch populärbuddhistische Inhalte, pazifistische Allegorien, das Mienenspiel seiner Helden und ausufernde, mal seltsam psychedelische, mal wunderbar pathetische Sequenzen. Daß seine Filme, von denen das ZDF einige unter Verschluß hält, hierzulande oft nur in verstümmelten Versionen erhältlich sind, vermehrt eher seinen Ruhm.

1931 wurde Hu in Peking geboren. 1949 ging er nach Hongkong. „Meine Generation sah wirklich die häßliche Seite des Feudalismus, fünf von meinen Geschwistern sind Kommunisten“, der Vater hatte „so seine Probleme mit dem Kapitalismus“, und auch Hu sympathisierte mit der Linken. Als die Maoisten 1949 die Macht ergriffen, landete er eher zufällig in der britischen Kronkolonie, wo er zunächst als Radiosprecher für „Voice of America“, Filmdekorateur und Schauspieler arbeitete.

Hu malte gern, war ein Freund nebelverhangener Wälder, hatte ein ausgesprochenes Faible für lichtdurchflutete Räume, schöne Dämoninnen, die sich mit Privatgelehrten verbinden und paranormal begabte buddhistische Mönche im spirituellen Gegenlicht. Auch liebte er seltsam metaphorische Abschweifungen in den Mikrokosmos. Um anzuzeigen, daß es gerade um Sex geht, zeigte er etwa in „Legend of the Mountain“ (1979) – lange vor David Lynch – minutenlang Blumenkelche und sich aneinanderdrängende Insekten.

Mehr als die Handlung, interessierten den unabhängig arbeitenden Meister Rhythmen, überraschende Perspektivwechsel und opulente Bilder: „Ich erkannte, daß man stilistisch mehr machen kann, wenn die Handlung simpel ist. Sobald Handlung im Spiel ist, muß man mehr Zeit für Erklärungen und Begründungen aufbringen und hat weniger Zeit für die künstlerische Ausarbeitung und Darstellung. Es gibt auch Musikstücke, die [...] nur komponiert werden, um der Spieltechnik Ausdruck zu verleihen.“

In seinem letzten Film reflektierte King Hu auch seine eigene Situation als Emigrant. Die Helden von „Painted Skin“ (1992) sind „wandernde Seelen, denen der Zutritt zum Himmel ebenso verwehrt ist wie der zur Hölle. Einige dieser Geister sind nach den himmlischen Gesetzen zum ewigen Verlust der Freiheit und zur Wiedergeburt [...] verurteilt. Deshalb ziehen sie es vor, wandernde Seelen in dem Zwischenreich von Yin und Yang zu bleiben. [...] Als gebürtiger Chinese mit Wohnsitz im Ausland fühlte ich mich diesen wandernden Seelen verwandt.“

Es blieb ihm verwehrt, sein filmisches Lebenswerk mit einem langgehegten Wunschprojekt zu krönen, in dem es um chinesische Einwanderer in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert gehen sollte. Am 15. Januar starb King Hu in Taiwan. In der Schlußsequenz von „A Touch of Zen“ meditiert der Obermönch im schönsten Licht auf einem Felsen. Gold fließt aus seiner tödlichen Wunde. Andächtig wartet er auf seinen Eintritt ins Nirwana. Detlef Kuhlbrodt