: „Abriß ist kein Programm“
■ Im taz-Interview: Der Stadtentwicklungssenator über seine Visionen für eine Mirow-City Hamburg
taz: Herr Senator, Sie haben die Auflösung Ihrer Stadtentwicklungs-behörde planvoll und gründlich vorbereitet. Warum?
Thomas Mirow: Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen.
Alle grundlegenden Konzepte, die die Entwicklung Hamburgs in den kommenden 15 Jahren bestimmen werden, haben Sie in dieser Legislaturperiode erfolgreich auf den Weg gebracht: Flächennutzungsplan, Landschafts- und Artenschutzprogramm, Stadtentwicklungskonzept. Sie haben nichts mehr zu tun.
Ich halte eine gesamtstädtische Planung und eine Planung aus gesamtstädtischer Sicht weiterhin für unverzichtbar. Auch in der nächsten Legislaturperiode gibt es viel zu tun: die Entwicklung neuer, gemischter Stadtteile wie Oberbillwerder, die Förderung von Stadtteilen, die dem Strukturwandel besonders unterliegen wie der Harburger Binnenhafen, Hammerbrook, St. Georg ...
Welche Entwicklung für St. Georg schwebt Ihnen vor?
Das Stadtgesicht rund um den Hauptbahnhof wird sich gründlich verändern. In den nächsten zehn Jahren wird, so hoffe ich, eine neue, schnelle Verkehrsverbindung zwischen den Ballungsräumen Hamburg und Berlin mit zusammen achteinhalb Millionen Menschen gebaut ...
Nach den jüngsten Äußerungen des Bundesverkehrsministers steht der Transrapid in den Sternen.
Egal, ob Transrapid oder ICE: Berlin wird voraussichtlich ganz nah an Hamburg heranrücken. Das zieht automatisch städtebauliche Veränderungen nach sich: Hamburger Dienstleister, Unternehmensberater, Architekten, Anwälte, Werbeagenturen werden Wohn- und Büroraum rund um den Hauptbahnhof suchen ...
... wo bereits reichlich leere Büros vor sich hin gähnen ...
... soweit sie modernen Anforderungen nicht genügen. Ich sage voraus, daß sich das Areal rund um die Kaufhäuser bis zum Steindamm einerseits und an der Südseite des Hauptbahnhofs bis zum Klostertor andererseits erheblich verändern wird. Der Steindamm kommt dann hoffentlich weg von seinem Schmuddel-Image hin zu einer lebendigen, gemischten Nutzung als innerstädtisches Gebiet.
Was dem Innensenator mit Platzverweisen nicht gelungen ist, wollen Sie mit Abriß, Umbau, Neubau lösen? Sie verlagern die Drogenszene damit bloß in andere Stadtteile und verdrängen die alteingesessene Bevölkerung, ohne Problemursachen zu bekämpfen.
Das glaube ich nicht. Wir haben Teile St. Georgs als Sanierungsgebiet ausgewiesen, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Abriß ist kein Programm. Die zum Teil sehr attraktive Architektursubstanz soll weitestgehend erhalten bleiben. Nur dort, wo sie schlecht ist, soll sie durch neue, moderne Büros ersetzt werden. Ich bin sicher, daß dies St. Georg weiterbringen wird.
Soziale und arbeitsmarktpolitische Probleme spitzen sich in Stadtteilen wie St. Georg, St. Pauli, Dulsberg oder Billstedt erheblich zu. Was hat Stadtentwicklungspolitik a la Mirow dem entgegenzusetzen?
Wir brauchen eine möglichst wirksame Verbindung von Stadtteilentwicklung, Wirtschaftsförderung und Armutsbekämpfung – und dabei eine starke Unterstützung der Menschen vor Ort, die selbst etwas tun wollen.
Und dann werden hier Stellen eingespart, da Etats gekürzt. Wie soll das funktionieren?
An der Finanzkrise der deutschen Großstädte, auch Hamburgs, führt kein Weg vorbei. Deshalb müssen wir verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Dritten setzen, den Bürgern, Gewerbetreibenden und Unternehmen. Dazu kann auch gehören, daß die Umsetzung von Planungen stärker privaten Bauherren übertragen wird. Im Städtevergleich gilt Hamburg als höchst interessanter und attraktiver Standort für Investitionen.
Und ausgerechnet daraus wollen Sie sich zurückziehen?
Die Stadt muß weiterhin Vorgaben machen zu Siedlungsstruktur und Gewerbeanteil. Das Bauen und Vermarkten von Entwicklungsgebieten kann man durchaus Privaten überlassen. Städtische Investitionen in die Armutsbekämpfung werden aber auch künftig unverzichtbar sein.
Wie auf St. Pauli? Da haben Sie künstlich ein paar Arbeitsplätze auf dem Kiez geschaffen, und nebenan macht das Hafenkrankenhaus dicht, das wirtschaftlich arbeitet und 400 Beschäftigte ernährt.
Das Hafenkrankenhaus ist ein objektives Dilemma. Allein unter dem Aspekt der Stadtteilentwicklung würde ich das Hospital natürlich gern fortbestehen sehen, aber ich kann mich dem Argument nicht verschließen, daß der Landesbetrieb Krankenhäuser aufgrund der verfehlten Bonner Gesundheitspolitik 200 Millionen Mark sparen muß.
Andere scheinbar ausweglose Konflikte in dieser Stadt – wie die Hafenstraße oder der Wohnungsleerstand im Laue-Komplex im Schanzenviertel – haben Sie auf ziemlich unspektakuläre Weise gelöst. Mitunter wirkten Sie dabei geradezu leidenschaftslos. Eine Stärke als politischer Mittler?
Die Hafenstraße war nun wirklich keine bloße Nummer in meinem Arbeitsprogramm. Ich fand, daß sich hier – wie beim Laue-Gelände – die Stadt belastende Konflikte entwickelt hatten, die man nicht länger vor sich hin faulen lassen durfte. Ich möchte an einer Stadtgesellschaft mitwirken, in der vielfältige Lebensstile, Wohn- und Arbeitsformen möglich sind und in der Konflikte nicht gewaltsam ausgetragen werden.
Wie wollen Sie das erreichen?
Unterschiedliche Lebensentwürfe und Haltungen müssen, soweit sie die Rechte anderer nicht verletzen, wechselseitig akzeptiert werden. Wir brauchen eine Stadt vieler Orte. Anders kann eine Großstadt wie Hamburg nicht funktionieren.
Fragen: Heike Haarhoff
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