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: Öde wie Sportschau

„Taft und Takt“, Freitag, 21.40 Uhr, ARD

Wenn es einer Reportage gelingt, einen Ausschnitt befremdlicher Wirklichkeit zugänglich und anschaulich zu machen, reizt sie die Neugier des Zuschauers. Dann wird der gewählte Gegenstand sogar zur Nebensache: Er kann abseitig sein oder alltäglich – oder sogar „die amtierenden Standard-Formationstanz-Amateurweltmeister aus Ludwigsburg“.

Daß die ARD-exclusiv-Reportage dennoch nicht in Schwung kam, lag also durchaus nicht an dem gewählten Sujet sonntagnachmittäglicher Langeweile. Denn auch wenn man sich von „Taft und Takt“ nicht mehr versprach als Pailletten, falsches Lächeln, Ehrgeiz, tränenverschmiertes Make-up, Konservativismus und Haarspray, bedeutet das noch lange nicht, daß man eine Reportage darüber nicht zu goutieren wüßte. Aber ach – Formationstanz ist längst Leistungssport, und die gestriegelten Formationstänzer geben längst Antworten, wie man sie auch in anderen Sportlerinterviews nicht banaler zu hören bekommt.

Somit war es fast zwangsläufig, daß Hannelore Conradsen und Dieter Köster für die Reportagereihe einen TV-Beitrag ablieferten, ähnlich jenen, die in der „ARD-Sportschau“ hervorgekramt werden, wenn Heribert Faßbender gerade mal wieder die Standleitung zum F.C. Bayern zusammengebrochen ist.

Zu den Bildern vom WM- Training, von der Bahnfahrt zur WM und dem erwarteten WM-Sieg stellten die Reporter jedoch zu allem Überfluß statt zwingender allenfalls pseudokritische Fragen. Dabei macht es denkbar wenig Sinn, den Tänzern kurz vorm Loshopsen eine Sinnkrise anzudichten.

Zumindest vom Taktgefühl der Tanzpaare hätten sich die beiden Reporter einiges abschauen können. Christoph Schultheis