: „Einen kriege ich noch“
■ Jagdszenen auf dem Hansaplatz: Brutale Feierabendgestaltung zweier betrunkener Polizisten vor dem Amtsgericht
Feucht-fröhlich feierten sie den Feierabend. Dann wankten die Polizisten Michael K. und Christian S. auf den Hansaplatz. Alles weitere? Filmriß, behauptet Michael K. Doch der Film lief weiter. Daß die Mißhandlung mehrerer PassantInnen in der Erinnerungslücke verschwindet, versuchte gestern Staatsanwalt Peter Seidel zu erhellen, als er vor dem Amtsgericht die Anklage gegen die beiden Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung verlas.
Eine brennende Zigarette, so die Anklage, hätten die in Zivil gekleideten Ordnungshüter von der Wache 11 am Hauptbahnhof auf einen Mann aus Osteuropa geschnippt und damit eine Lawine ins Rollen gebracht. Als der Mann erbost fragte: „Was ist los?“, kam die Antwort postwendend per Faustschlag. Während Christian S. ihn gepackt und mit den Händen hinter dem Rücken festgehalten habe, soll Michael K. den so Fixierten mit Fäusten malträtiert haben.
Als PassantInnen aufmerksam wurden und sich einmischten, hätten die beiden ihre Beute zunächst in den Eingang eines Imbisses gezerrt und munter weitergeprügelt. Als die Menschenmenge anwuchs, habe Christian S. lieber noch ein paar uniformierte Kollegen herbeigerufen. „Wir brauchen Verstärkung!“, flehte er von einem nahegelegenen Taxistand aus durchs Funktelefon.
In der Annahme, die beiden säßen in der Klemme und müßten vor gewalttätigem Pöbel geschützt werden, taten die aus der nur zweihundert Meter entfernten Wache herbeistürzenden Beamten eben dieses – als plötzlich Michael K. aufsprang und sich mit dem Schlachtruf „Einen kriege ich noch“ erneut in die Menschenmenge warf. Fäuste hier, Tritte dort: Drei PassantInnen gingen zu Boden – und Michael K. mitsamt seinem Helfershelfer Christian S. geradewegs vor den Kadi.
Dort mimten sie gestern die Unschuld vom Lande. Mit Hemd und Flanellweste adrett zurechtgemacht, wollte Michael K. gar keine Erinnerungen mehr haben, Christian S. seine zumindest nicht preisgeben. Um so mehr hatte dafür der Zeuge Ayhan zu berichten. Er trug an jenem 7. April 1995 nicht nur eine Knieverletzung durch einen kampfsportgeschulten Tritt von Michael K. davon. Er hatte auch einiges darüber zu erzählen, was sich auf dem Hansaplatz abspielte, ehe die brennende Zigarette auf dem Kopf des zuerst angegriffenen Mannes landete. Zunächst sollen die beiden Polizisten nämlich mit drei Türken Streit gesucht und diese bepöbelt haben. Ayhan: „Sie haben viele ausländerfeindliche Sprüche losgelassen“.
Der Prozeß wird fortgesetzt.
Elke Spanner
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