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American PieDer Fall Favre

■ Der Green-Bay-Quarterback weiß, was Medikamentenabhängigkeit ist

I can still remember how that

music used to make me smile

Wenn am Sonntag im Superdome zu New Orleans zwischen den Green Bay Packers und den New England Patriots der Super Bowl ausgespielt wird, wird ein Mann eine der Schlüsselpositionen besetzen, der noch vor Jahresfrist medikamentenabhängig war: Brett Favre (27), Quarterback der Packers und MVP, wertvollster Spieler, der National Football League (NFL).

Football wird zwar „Schach auf dem Rasen“ genannt, aber „schlußendlich“, sagte der als eher sanftmütig bekannte Packers-Coach Mike Holmgren einmal, „geht es beim Football darum, den Gegner in den Arsch zu treten“. Zum Ende einer NFL-Saison gibt es dann kaum noch einen Spieler, der problemlos aus dem Bett kommt. Football mag auf dem Reißbrett entworfen werden, schlußendlich aber müssen halt lebendige Menschen aufeinanderprallen. Viele NFL-Spieler, wahrscheinlich sogar die meisten, nehmen starke Schmerzmittel, um die arbeitsintensiven Sonntage zu überstehen.

„Verletzungen haben viele Spieler um ihren Job in dieser Liga gebracht“, sagte Favre am Tag, bevor er für sechs Wochen in einer Entziehungsklinik verschwand, „und ich wollte um keinen Preis wegen einer Verletzung meinen Job verlieren. Irgendwann geriet die Sache außer Kontrolle.“ Nach wenigen Monaten war Favre zurück, sah gesund aus wie nie, spielte besser als zuvor und führte die Packers zu ihrer ersten Super Bowl seit 29 Jahren.

Wie gefährlich seine Sucht war, wurde Favre erst bewußt, als er nach einer Routineoperation einen lebensgefährlichen Zusammenbruch erlitt, der einem epileptischen Anfall glich. Er fürchtete, das Vicodin, das er seit Monaten eimerweise schluckte, könnte ihn ausgelöst haben. Doch kaum war die Rehabilitation überstanden, beendete Favre auch gleich die Debatte über das Thema: „Das ist kein Comeback. Ich war niemals weg.“ Bis heute muß er monatlich bis zu zehnmal seinen Urin abliefern, aber „wenn man mich als Alkoholiker oder Drogenabhängigen bezeichnet, kotzt mich das an“.

Der Fall Favre hat die Öffentlichkeit nur kurz zum Nachdenken gebracht. Und Favre selbst ist nicht der Mann, um das Geschäft Football in Frage zu stellen. In den letzten beiden Jahren wurde er zum MVP gewählt; das hatte vor ihm nur Joe Montana geschafft. In einen durchgeplanten, hochtechnisierten Mannschaftssport bringt er die Improvisation zurück. Das erste, was er sagte, als er aus der Klinik kam, soll gewesen sein: „In diesem Jahr wäre alles andere als der Super Bowl eine Pleite.“ Thomas Winkler

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