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Die Schattenökonomie ist auf dem Vormarsch

■ Durch Wirtschaftskriminalität sei 1996 ein Schaden von 795 Millionen Mark entstanden, klagen Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Bund der Steuerzahler

Auf Europas größter Baustelle, dem Potsdamer Platz, hat es noch keine einzige Schwarzarbeiter- Razzia gegeben. „Was da stattfindet, möchte ich nicht wissen“, stöhnte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP), Eberhard Schönberg, gestern auf einer Pressekonferenz mit dem Bund der Steuerzahler über Wirtschaftskriminalität. „Aber so eine große Baustelle kann man nicht überprüfen.“

Viele müssen den Gürtel enger schnallen, aber der Schattenwirtschaft geht es rosig. In den vergangenen fünf Jahren hat die Wirtschaftskriminalität in der Stadt laut GdP um rund 300 Prozent zugenommen. Die Taten der Herren in weißem Hemd und Anzug machen zwar nur 1,8 Prozent der gesamten Kriminalität aus, verursachen aber die Hälfte des Gesamtschadens. Allein die 1996 abgeschlossenen Wirtschaftsstrafverfahren hatten nach Angaben des Vorsitzenden des Polizei-Gesamtpersonalrats, Peter Trappe, einen Gesamtschaden von 795 Millionen Mark verursacht. Im Vorjahr waren es noch 633 Millionen.

Viel Geld geht schon allein durch die Schwarzarbeit verloren. Offizielle Schätzungen sprechen von 20.000 bis 30.000 illegal Beschäftigten in Berlin und Umgebung. Die GdP geht von rund 100.000 Schwarzarbeitern aus. Allein dadurch entgingen dem Haushalt jährlich 2,8 Milliarden, so Trappe. Die 120 Ermittler beim Landeskriminalamt seien gänzlich überfordert. Zudem werde ihre Arbeit ständig von der Justiz konterkariert, indem diese 95 Prozent der Verfahren einstelle. Manchmal ergingen vollkommen absurde Entscheidungen: So wurde das Verfahren gegen eine Firma, die einen Schwarzarbeiter beschäftigte hatte, eingestellt. Die Firma verklagte daraufhin die Polizei auf Schadenersatz für die Durchsuchung und bekam vom Gericht prompt mehrere 100 Mark zugesprochen.

Es sei kein politischer Wille vorhanden, etwas gegen die „sinnlose Verschwendung“ von Milliardenbeträgen zu tun, klagte Schönberg. Die Gewerkschaft der Polizei fordert unter anderem die Einrichtung einer ausschließlich für Schwarzarbeit zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft und eine Gesetzesänderung zur Haftbarmachung des Hauptbauträgers. Denn diese schöben die Verantwortung stets den kaum zu ermittelnden Subunternehmen zu.

Der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Günther Brinker, berichtete, daß nur 9 Prozent der Bevölkerung „etwas gegen Schwarzarbeit haben“. Den Anteil der Schattenwirtschaft am gesamten Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik bezifferte er auf 25 Prozent. Plutonia Plarre

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