Fujimori setzt auf Provokationen gegen die MRTA

■ Peruanische Polizisten bewerfen die besetzte japanische Residenz mit Steinen und simulieren den Sturmangriff. Derweil sucht das Rote Kreuz einen Verhandlungsort

Berlin (AFP/taz) – Die peruanische Regierung scheint mit einer neuen Taktik die Guerilleros der „Revolutionären Bewegung Tupac Amaru“ (MRTA), die in der Residenz des japanischen Botschafters weiterhin 73 Geiseln festhalten, zermürben zu wollen. Am Dienstag abend warfen Polizisten Steine und Flaschen auf die Residenz und schleuderten, begleitet von obszönen Gesten, Müll über den drei Meter hohen Zaun auf den Hof des Anwesens, wobei sie sich nach Augenzeugenberichten prächtig amüsiert haben sollen. Damit setzten sich die Sicherheitskräfte über die Forderung der Geiselnehmer hinweg, daß sie sich dem Gebäude nicht weiter als 100 Meter nähern sollten.

Bereits am Montag hatten Sicherheitskräfte versucht, die MRTA-Guerilleros zu provozieren, indem sie unmittelbar vor der Residenz auf- und abmarschierten. Am Dienstag hatten die Polizisten plötzlich ihre Gewehre in Anschlag gebracht und sich in Kampfstellung vor die Residenz gehockt – um wenige Minuten später wieder abzuziehen, als sei nichts gewesen.

Gestern früh scheint es ihnen endlich gelungen zu sein, die Botschaftsbesetzer aus der Reserve zu locken: Kurz nach Mitternacht (Ortszeit) waren drei kurze Feuerstöße zu hören, woraufhin die Sicherheitskräfte sich sofort in Kampfstellung begaben und Schutz unter Bäumen suchten. Eine Viertelstunde später wurde die turnusmäßige Wachablösung dann aber ohne weitere Zwischenfälle durchgeführt. Ein Polizeisprecher bezeichnete die zuvor abgehaltenen Übungen, die offenbar einen Angriff simulieren sollten, als „völlig normal“. Im frühen Morgengrauen waren erneut mehrere Schüsse aus der Residenz zu hören. Pressevertreter vor Ort beklagten, daß von offizieller Seite aus keinerlei Informationen mehr über das Geschehen auf dem Gelände ausgegeben würden. Bereits vor einigen Tagen waren die Fotografen, die sich seit Wochen auf den Dächern der umliegenden Häuser eingerichtet hatten, von der Polizei ohne Angabe von Gründen vertrieben worden.

Offenbar will die Regierung die Verhandlungen mit solchen Aktionen weiter verzögern oder erschweren. Fujimori hatte sich ursprünglich bereit erklärt, über alle Forderungen der Guerilleros zu verhandeln, war davon allerdings in den vergangenen Tagen Stück für Stück wieder abgekommen. Bisher ist weder ein Termin noch ein Ort vereinbart worden. Nach Angaben eines Sprechers des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) befand sich gestern der IKRK-Vertreter Michel Minnig auf der Suche nach einem geeigneten Verhandlungsort in unmittelbarer Nähe der Residenz, um die Aufnahme der direkten Verhandlungen voranzutreiben. Nachbarn wurden gebeten, ihre Häuser für die Gespräche zur Verfügung zu stellen.

Auch der Ombudsmann der peruanischen Regierung, Jorge Santistevan, forderte angesichts der Geschehnisse um die Residenz die sofortige Aufnahme von direkten Verhandlungen im Rahmen der Vermittlungskommission. Ihr sollen der Vertreter des IKRK, Michel Minnig, der katholische Bischof Juan Luis Cipriania, der kanadische Botschafter Anthony Vincent sowie je ein Vertreter von Regierung und MRTA angehören. kuh