: Avantgarde im Wohnzimmer
■ Zwanzig Jahre Galerie im Winter: Großes Faible für niederländische Kunst
Unter dem Titel „Querdurch“ zeigt die Galerie im Winter jetzt eine ganz besondere Ausstellung. Denn sie erlaubt eine Retrospektive auf das nunmehr 20jährige Schaffen der Galeristen selbst. Von Armando bis Klaus Kröger, von Kaminsky bis de Fries sind Künstler vertreten, die alle schon, zum Teil auch mehrfach, in der Galerie ausgestellt haben und über langjährige Kontakte zum Galeristenehepaar Hermann und Elise Jacobs verfügen.
Als die beiden sich vor 20 Jahren entschlossen, in Bremen eine Galerie aufzumachen, stand ihr Schwerpunkt für das bis heute gültige Konzept längst fest: Aktuelle Kunst aus der Bundesrepublik, Belgien, vor allem aber aus den Niederlanden.
Schon vor 30 Jahren pilgerte das Ehepaar gern und oft nach Holland. Die niederländische Hauptstadt hatte sich damals zum Zentrum der europäischen Avantgarde entwickelt und wurde daher in Anspielung auf die amerikanische Metropole New York „New Amsterdam“ genannt. Besonders das Stedelijk-Museum in Schiedam spielte eine tragende Rolle bei dieser Entwicklung. Diese aber wurde von Deutschland weitgehend ignoriert. „Man guckte nicht nach Holland“, erinnert sich Hermann Jacobs. Zu Unrecht, befand das Ehepaar und beschloß, in einer freigewordenen Etage seines Hauses eine Galerie einzurichten, die sich explizit der jungen niederländischen Kunst widmete.
Von Beginn an orientierten sich Elise und Hermann Jacobs in ihren Ausstellungen auf die Begriffe „Reduktion“, „Konzentration“ und „Konstruktion“. Holland, meint der Galerist, sei „das Land des Konstruktivismus. Da ist alles waagerecht, da wächst alles so wie es soll.“
Einer der bekanntesten niederländischen Künstler, Piet Mondrian, legt mit seinen Werken davon Zeugnis ab. Von seiner Tradition absetzen wollte sich jedoch die „Nul groep“, quasi das Gegenstück zur deutschen Gruppe ZERO um Mack, Piene und Uecker. Die vier Künstler Jan Hendrikse, Henk Peeters, Armando und Jan P. Schoonhove arbeiteten wie Mondrian mit geometrischen Formen, verstanden sich jedoch als Realisten und stellten den Vertretern des farbflutenden Informel klare Linien und einfache Formen gegenüber. Die „Nul groep“ war 1989 komplett zu Gast in der Galerie im Winter – ein Ereignis, dem schon aus diesem Grund in der Kunstszene viel Beachtung geschenkt wurde.
Doch auch die informelle Malerei ist bei den Jacobs verteten. Allein die jungen Wilden sind in der Galerie im Winter nicht willkommen. „Dieser Kleckserei“, da sind sich Elise und Hermann Jacobs ausnahmsweise einig, wollen sie keine Ausstellungsfläche zur Verfügung stellen. Ansonsten aber sind sie allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, egal, ob es sich um Konzeptkunst handelt, um Malerei oder Videoart. Auch für das kommende Jahr hat das Ehepaar schon konkrete Vorstellungen: Wenn möglich, wollen sie einen jungen holländischen Künstler vorstellen, der ein Projekt unter dem Titel „Kunst des Mordens“ initiiert und die Augen verurteilter Mörder fotografiert hat.
„Der Künstler ist ein Forscher in der Gesellschaft“, glaubt Hermann Jacobs. Dieser Verantwortung versucht er sich, selbst früher einmal aktiver Maler, auch als Galerist zu stellen. Und tatsächlich war die Galerie im Winter eine der ersten in Bremen überhaupt. Und mehr noch: Die Jacobs sind die Impulsgeber dafür, daß Bremen als erstes deutsches Bundesland die Künstlerförderung einführte. Das Ehepaar hatte die Idee vor etwa 15 Jahren aus Holland importiert. Ob das Modell allerdings hierzulande auch in Zukunft Bestand hat, wird angesichts neuerlicher Spardiskussionen im Senat von beiden bezweifelt: „In einem so kleinen Land kann man schnell etwas einführen, aber auch schnell wieder abschaffen“, sinniert Hermann Jacobs.
Krisensicher dagegen ist die Zukunft der Galerie im Winter: Die beiden betagten Herrschaften werden weitermachen, „so lange, bis einer von uns den Löffel abgibt.“
dah
„Querdurch“ bis zum 18.2. in der Galerie im Winter, Richard-Wagner-Straße 32
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