: Zur Beerdigung freigegeben
■ Unabhängigen Nord-Süd-Gruppen droht erneut die Kappung ihrer Fördermittel. Grüne: Ruf Berlins gefährdet
Den unabhängigen Nord-Süd- Gruppen geht es wieder an den Kragen. Als sie im vergangenen Jahr die komplette Streichung des Haushaltstitels Projektförderung verhinderten, wußten sie, daß das nur ein Sieg auf Zeit war. Jetzt steht derselbe Fördertopf erneut auf der sogenannten Nachschiebeliste des Senats mit umfangreichen neuen Kürzungsvorschlägen.
„Der ohnehin lächerlich geringe Etat von 850.000 Mark“ soll um fast 30 Prozent, um 250.000 Mark, gekappt werden, verkündeten gestern die Bündnisgrünen. Die anderen sieben Untertitel des Nord- Süd-Haushalts (insgesamt rund 2,5 Millionen Mark) sind demzufolge nicht betroffen. Dazu gehört auch Wirtschaftssenator Elmar Pieroths (CDU) Lieblingsprojekt, die Berliner Gesellschaft für entwicklungspolitische Zusammenarbeit (BGZ), die Wirtschaftsförderung in Richtung Türkei und Osteuropa betreibt – ein völlig anderer Ansatz als die Nichtregierungsorganisationen (NRO).
Damit grabe der Senat „nun einer weiteren – und vielleicht der effektivsten – Komponente der Nord-Süd-Zusammenarbeit das Wasser ab“, kritisieren die Grünen weiter. Schon der Abwanderung von Institutionen wie dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) nach Bonn hat die Große Koalition kaum Widerstand entgegengesetzt. Das bemängelt selbst der Nord-Süd-Arbeitskreis der SPD.
Auch bei den NROs der Stadt, die sich im Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag (BER) zusammengetan haben, herrscht helle Empörung. Einen „Affront“ sieht BER-Kosprecher Robert Große in dem neuerlichen Vorstoß des Hauses Pieroth. „Damit wird die gesamte, zehnprozentige Kürzungsvorgabe für diesen Bereich auf uns abgewälzt.“ Intern heißt es, Pieroth höchstpersönlich habe die Projektförderung zur Beerdigung freigegeben. „Wenn der Kürzungsrhythmus so beibehalten wird, dann ist dieses Politikfeld bis 2002 tot“, so Eberhard Bauer vom Weltfriedensdienst. In einem Protestschreiben an die Fraktionen im Parlament verlangt der BER vom Senat ein „Moratorium für den gesamten Bereich der Nord-Süd-Zusammenarbeit“. Es reiche nicht, nur den NRO-Fördertopf zu retten. Zudem müsse endlich ein Beirat für Entwicklung und Umwelt mit NRO-Beteiligung gebildet werden. Das werde aber in der Senatsverwaltung für Umwelt verschleppt.
Auch die Grünen sehen Berlins Status als entwicklungspolitisches Zentrum der Bundesrepublik nun endgültig in Gefahr. Dabei hatte erst vor knapp zwei Wochen Bundesentwicklungsminister Carl- Dieter Spranger (CSU) Berlin zugesichert, daß es seinen Status als „Hochburg der Entwicklungspolitik“ nicht verlieren soll. Er hob die „Mittler- und Brückenfunktion“ hervor, die die Stadt gegenüber Osteuropa und der GUS innehabe. Auch der Diepgen-Senat hat dies immer wieder beschworen und, wo es paßte, sich der Aktivität der nichtstaatlichen Gruppen gebrüstet. Als ein Vertreter der Senatskanzlei kürzlich über die Berliner Städtepartnerschaften referierte, hob er zum Beispiel den Berlin- Brandenburgischen Förderkreis Usbekistan hervor, der die Beziehungen mit Taschkent erst an der Basis verankere: „Dies wünschen wir uns überall so.“ Thomas Ruttig
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