: „Das weiß keiner, was ich verdiene“
■ Wie sich ein Geschäftsführer um den Kindesunterhalt drücken konnte
Michaela Thelen (35) aus Düsseldorf, ledig, alleinerziehend, kämpfte jahrelang um Unterhalt für ihr Töchterchen. Sie erzählt: „Zweieinhalb Jahre habe ich überhaupt kein Geld bekommen vom Vater meiner Tochter. Und das, obwohl der Mann in der Geschäftsführung einer Autoverwertungsfirma gut Geld verdiente.
Das kam so: Als wir schon getrennt waren, hatte der Vater meiner Tochter zwei Firmen besessen, ein Holzbauunternehmen und eine Autoverwertungsfirma. Mit der Holzbaufirma meldete er Konkurs an. Am selben Tag überschrieb er die Autoverwertung seiner neuen Frau. Nach außen hin galt er nun als erwerbslos, obwohl er inoffiziell in der Autoverwertung weiter die Geschäfte führte.
In der ersten Zeit nach dem Konkurs hatte er mir noch etwas Unterhalt für unser gemeinsames Kind gezahlt. Er gab mir immer das Gefühl, ich müsse dafür dankbar sein. Denn vor dem Gesetz hatte er ja kein eigenes Einkommen mehr. Eines Tages, nachdem wir uns am Telefon gestritten hatten, meinte er: ,Na, dann zahle ich jetzt gar nichts mehr. Das kann mir keiner nachweisen, was ich verdiene.‘ Von da ab bekam ich kein Geld mehr. Mein damaliger Sachbearbeiter im Jugendamt sagte nur: ,Wir können nichts machen. Der Mann hat doch Konkurs angemeldet.‘
Die Wende kam mit einer neuen Amtspflegerin, bezeichnenderweise einer Frau. Die war energisch, sie erklärte mir, man könne den Vater meiner Tochter sehr wohl auffordern, daß er sich selbst eine Arbeit suche, um den Unterhalt zu zahlen. Sie schickte ein entsprechendes Schreiben. Daraufhin behauptete er, in der Firma seiner Frau nur auf 560-Mark-Basis zu arbeiten.
Über meine Amtspflegerin wurde er aufgefordert, sich eine andere Arbeitsstelle zu suchen, damit er mehr verdiene und den Unterhalt für seine Tochter bezahlen könne. Daraufhin erklärte er, okay, er sei angestellt in der Firma seiner Frau, bekäme aber leider nur 1.600 Mark netto im Monat. Das ist knapp über dem Selbstbehalt, deshalb mußte er wieder nichts zahlen. Dann haben wir einen Strafantrag gestellt.
Meine Amtspflegerin hat die Unterlagen zum Strafrichter geschickt mit dem Hinweis, daß am Tag der Konkurseröffnung die zweite Firma in den Besitz der Frau übergegangen ist. Endlich passierte was: Der Richter hat den Vater meiner Tochter vorgeladen. Der Termin dauerte fünf Minuten. Der Vater meiner Tochter erklärte nun, er sei eigentlich arbeitsunfähig. Er ist 48 Jahre alt! Der Richter forderte ihn auf, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzureichen.
Er fand dann keinen Arzt, der ihm die Arbeitsunfähigkeit bescheinigen wollte. Fast ein dreiviertel Jahr nach der Vorladung erging dann endlich ein Beschluß, daß er jetzt erst mal ein Jahr lang einen Betrag von 459 Mark im Monat zahlen müßte. Rückwirkend mußte er gar nichts zahlen! Er zahlt jetzt, weil der Richter drohte, sonst das Verfahren wieder aufzunehmen.“ BD
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