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Hunderttausende Väter in Deutschland (und einzelne Mütter) drücken sich um Unterhaltszahlungen für ihren Nachwuchs. 1,6 Milliarden Mark kostet dies die öffentlichen Kassen jährlich. Neue Gesetze sollen jetzt beim Kampf um den Unterhalt helf

Hunderttausende Väter in Deutschland (und einzelne Mütter) drücken sich um Unterhaltszahlungen für ihren Nachwuchs.

1,6 Milliarden Mark kostet dies die öffentlichen Kassen jährlich. Neue Gesetze sollen jetzt beim Kampf um den Unterhalt helfen.

Zeugen fällt leichter als zahlen

Gerhard Oettrich kennt seine Pappenheimer. Und die sind meistens pleite. Oder tun so, als ob. „Da ist oft nicht mal bei der Möbelpfändung was zu holen“, seufzt der stellvertretende Amtsleiter beim Jugendamt Berlin-Neukölln. Oettrich jagt unterhaltssäumige Väter. Er forscht nach bei Krankenversicherungen, Arbeitgebern, in Knästen und kooperiert mit Gerichtsvollziehern, „eine mühsame Kleinarbeit“. Neue Gesetze sollen Leuten wie ihm jetzt die Arbeit erleichtern.

Das Bundeskabinett hat kürzlich neue Regelungen zum Unterhaltsrecht verabschiedet, die in den nächsten Wochen in den Bundestag wandern. Mit ihnen wird der Datenschutz gelockert. Danach müssen künftig Kranken- und Rentenkassen, private Lebensversicherungen und Arbeitgeber den Jugendämtern Auskünfte über die Höhe des Einkommens der säumigen Väter geben. Bisher bekommen Amtsleiter wie Oettrich bei den Krankenkassen nur heraus, ob der Säumige dort versichert ist oder nicht. „Solche neuen Regelungen wären eine Erleichterung“, sagt Rechtsberaterin Cornelia Strasser vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in München, „dann geht es schneller, bis man pfänden kann“. Nicht nur rückwirkender, auch künftiger Unterhalt soll einklagbar werden.

Untergetauchten Vätern, die ein Auto besitzen, geht es zusätzlich an den Kragen. Nach einem Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium dürfen die Unterhaltsvorschußkassen beim zentralen Fahrzeugregister in Flensburg nachfragen, ob der säumige Papa dort mit neuem Fahrzeug und neuer Adresse eingetragen ist.

Die neuen Gesetze sollen die Ausgaben eindämmen, die von den Unterhaltsvorschußkassen der Jugendämter an alleinerziehende Mütter – und einige wenige Väter – fließen. 1,6 Milliarden Mark mußten die Kassen 1995 an Sorgeberechtigte zahlen, für deren Kinder der – laut Amtsdeutsch – „familienferne Elternteil“ nichts herausrückte. 1990 bezogen 81.000 Kinder Unterhaltsvorschuß, 1995 waren es fast 500.000. Die Zahlen stiegen allerdings auch deswegen, weil 1993 Altersgrenzen und Bezugsdauer für den Unterhaltsvorschuß beträchtlich erweitert wurden.

Derzeit holen sich die Vorschußkassen nur rund 13 Prozent des Geldes von den Vätern zurück. Das soll mehr werden: „Wir rechnen damit, daß die öffentlichen Kassen ein Drittel der Unterhaltsvorschuß-Zahlungen von den Vätern zurückbekommen könnten“, sagt Volker Bästlein, Sprecher beim Bonner Jugend- und Familienministerium. Zwei Drittel der säumigen Väter könnten möglicherweise tatsächlich nicht zahlen. Die Detektivaufgabe für die Jugendämter lautet: Wer drückt sich, und wer kann wirklich nichts berappen?

„Bei den meisten ist nichts zu holen“, glaubt Oettrich vom Jugendamt Neukölln, „viele sind arbeitslos oder verdienen zuwenig.“ Wer als Arbeitsloser nur 1.300 Mark oder als Beruftsätiger nur 1.500 Mark netto hat, muß nichts berappen.

Daß so viele Väter gar nicht zahlen könnten, sei kaum zu glauben, meinen dagegen Expertinnen vom VAMV. Viele Väter wollten einfach nicht. Der Mindestunterhaltsanspruch für ein Vorschulkind beträgt (abzüglich Kindergeld) nur 239 Mark. Zusammen mit dem Selbstbehalt müßten Väter also nur mindestens 1.739 Mark netto im Monat verdienen, um zahlungsfähig zu sein. „Es kann doch nicht so schwierig sein, diese Summe zu erreichen!“ empört sich Gabriele Scheffler von der Bonner Zentrale des VAMV.

Im Alltag der Unterhaltseinzieher von den Jugendämtern käme es tatsächlich öfter vor, daß Väter offen damit drohten, „den Job hinzuschmeißen“, wenn das Jugendamt eine Lohnpfändung erwirke, erzählt Oettrich. „Dann müssen wir mit denen verhandeln. Das bringt uns ja auch nichts, wenn sich der Mann arbeitslos meldet.“

Der blinde Fleck für die „Unterhaltsjäger“ von Amts wegen sind aber die Selbständigen, „unsere Sorgenkinder“, sagt Oettrich. Was der säumige Vater mit seiner Arztpraxis oder dem Pizza-Imbiß wirklich verdient, ist kaum herauszukriegen. Die Einkommenssteuererklärung wird erst ein Jahr später fällig und kann außerdem vielfältig „gestaltet“ werden. Inzwischen schon seit anderthalb Jahren schlägt sich Oettrichs Amt mit einem freiberuflichen Arzt herum.

„Der sagt einfach, er macht fast nur Verluste, und der Seehofer nähme ihm jetzt sowieso alles weg.“ Für die eigenen, getrennt lebenden Kinder bleibe da leider nichts mehr übrig.

„Väter sind aber nicht die schlechteren Menschen“, betont Werner Sauerborn von der Initiative Väteraufbruch in Münster, „in Fällen, wo die Mutter von den Kindern getrennt lebt, berufstätig und unterhaltsverpflichtet ist, passiert oft genau das gleiche: Sie zahlt nicht.“ Barbara

Dribbusch

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