Gebrochene Schwalbenflügel in Moll

■ Uraufführung der tschechischen Oper „Katja Kabanowa“ an der Hochschule für Musik

Katja kann fliegen. Das beweist sie ihrer Freundin Barbara, indem sie die Finger so schnell auf und ab flattern läßt, als zöge ein Schwalbenschwarm durch die Luft. Doch die Zeiten des Fliegens sind längst vorbei. Seit ihrer Hochzeit fühlt sich die junge Frau wie im Käfig.

Katja Kabanowa, die 1921 uraufgeführte Oper des tschechischen Komponisten Leos Janácek, erzählt die Tradödie einer jungen Frau im dörflichen Rußland Mitte des 19. Jahrhunderts. Katjas Ehemann ist ein devotes Muttersöhnchen, die Schwiegermutter eine scharfzüngige Giftsprüherin. Und der Liebhaber, den sich die unerfüllte Katja während einer Geschäftsreise des Gatten zulegt, entpuppt sich als feiger Jüngling.

Janácek hat das Schauspiel des russischen Dichters Alexander Ostrowskij umgeschrieben und in wunderbare Musik umgesetzt: melancholische Arien, ausgelassene Volkslieder und dramatisch bewegte Orchestermusik. In Jörn Arneckes Neufassung der Oper für zwei Klaviere, die an der Hochschule für Musik und Theater uraufgeführt wurde, spitzt sich die expressiv-lyrische Grundstimmung der Oper sogar noch zu. Auch die Sänger profitieren von der Konzentration auf die wesentlichen Klangstrukturen – allen voran Katja Beer (Katja) und Ulrike Bartusch (Barbara) mit ihrem vollen Sopran.

Durch Minimalismus überzeugen auch Regie, Bühnenbild und Kostüme. Lorenzo Fioroni inszeniert die Oper unangestrengt ohne Schnörkel und Effekthascherei. Die Starrheit der engstirnigen Dorfbewohner und die suchende Offenheit der jungen Frauen etwa werden durch eine bestrickend einfache Symbolik verdeutlicht: Katja und ihre Freundin Barbara stellen sich auf das einzige Mobiliar der Bühne, einen Stuhl, und suchen mit dem Fernglas ihre Umgebung ab, aber nie passiert etwas. Als Katja nach dem Ehebruch Stuhl und Fernglas in die als nackter Graben stilisierte Wolga wirft, wissen wir, daß sie ihre unbestimmte Sehnsucht nach Freiheit und ihre bestimmte Suche nach Zärtlichkeit für immer aufgegeben hat.

Von allen im Stich gelassen, versucht Katja noch einmal zu fliegen, doch wie lahme Flügel heben und senken sich mutlos die Arme. Nur der Tod, der ihr als Ruderer im schwarzen Kostüm begegnet, umarmt die wahnsinnig gewordene Katja und zieht sie hinab zu sich in die Wolga. Auf ihrem Grab aber, so die versöhnliche Vision am Ende eines traurig-schönen Opernabends, werden Blumen in leuchtenden Farben blühen. Kira Moll

noch am 28. und 30. Januar sowie am 1., 4. und 6. Februar