: Weiße Weste, schwarze Jacke
■ Kurzzeitbesetzer in Prenzlauer Berg kritisieren „exemplarisches Beispiel von Spekulation im Sanierungsgebiet“. Bezirksamt sieht keinen Handlungsbedarf
Die Türen des Hinterhauses in der Schönhauser Allee 150 in Prenzlauer Berg standen einladend offen, als am Samstag morgen ein von Kiezaktivisten organisierter „Leerstandsspaziergang“ eintrudelte. Mit Kuchen und Musik wurden die Besucher von einer Gruppe Wohnungsuchender eingeladen, das Haus zu besichtigen.
Im April 1994 hatte – vermutlich durch Brandstiftung – ein Feuer den Dachstuhl des Hinterhauses zerstört. Die Mieter mußten ausziehen, damit die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP), die damals das Haus noch verwaltete, mit den von der Versicherung bereitgestellten Geldern das Dach reparieren konnte. Danach wurde das Haus an die Alteigentümer rückübertragen und zweimal verkauft. Sechzehn teils einzugsfertig sanierte Wohnungen stehen seither leer.
„Wir haben die Wohnungen für gut befunden und beschlossen, hier einzuziehen“, verkündete ein Sprecher der Wohnwilligen und griff zum Handy, um auch den heutigen Hauseigentümer Blaschke auf seine neuen „Mieter“ hinzuweisen. Der reagierte prompt. Wenige Minuten später stellten zwei Polizistinnen Hausfriedensbruch fest. Die Wohnungsuchenden wurden wieder auf den Hof geschickt. Dort trafen – informiert durch die Möchtegernbesetzer – ein Vertreter des Bausenats, der Bürgermeister, die Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) und zu guter Letzt auch Eigentümer Blaschke ein.
„Der Leerstand ist genehmigt“, betonte Baustadträtin Dubrau an einem spontan einberufenen Runden Tisch. Ursprüngliche Pläne des Eigentümers, mehrere Wohnungen in Gewerberäume umzuwandeln, seien inzwischen vom Tisch. In einem „relativ zeitnahen Raum“ werde eine Sanierungsgenehmigung erteilt. Dann müsse Besitzer Blaschke innerhalb von drei Monaten mit den Bauarbeiten beginnen. Dubrau sah daher zum Ärger der Mieter des Vorderhauses keinen akuten Handlungsbedarf.
„Blascke hat uns schon im September gedrängt auszuziehen, weil wir die Miete nach der Sanierung nicht mehr zahlen könnten“, berichtete eine Mieterin. Zudem sollten sie bei einem erneuten Brand im Hinterhaus die Feuerwehr erst rufen, wenn alles abgebrannt sei, hätte Blaschke erklärt: Das sei schließlich das Beste, was ihm passieren könne. Zwei Mieter sind seither ausgezogen. Die übrigen befürchten, daß Blaschke auch das Vorderhaus leer haben möchte, um es lukrativ weiterverkaufen zu können. Schon der Voreigentümer habe eine Sanierung angekündigt, die mit dem Verkauf an Blaschke endete.
„Ich hab' eine weiße Weste“, konterte der Eigentümer mit der schwarzen Lederjacke. Er warte nur auf die Genehmigung, um mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Die Mieter könnten selbstverständlich „bis zum jüngsten Tag“ in ihren Wohnungen bleiben. Und einen Verkauf plane er auch nicht, fügte aber hinzu: „Bei dem Ärger hier wäre es das vernünftigste, weiterzuverkaufen.“
„Das ist ein exemplarisches Beispiel für Spekulation im Sanierungsgebiet“, ärgerte sich Jens Oliva, Betroffenenvertreter im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz. Mit immer neuen Bauanträgen würden Eigentümer den Leerstand begründen. Das Bezirksamt habe personell nicht die Kapazität, dagegen vorzugehen. An einen baldigen Baubeginn glaubt Oliva nicht. Er forderte daher eine Duldung der Wohnungsuchenden bis zur Sanierung. „Reden kann man über alles“, meinte Blaschke; sein Kommen zu einem weiteren Runden Tisch, heute abend um 18 Uhr im Kiezladen Dunckerstr. 14, wollte er aber nicht zusagen. Das Haus steht vorerst weiter leer. Gereon Asmuth
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