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Hilfe von der Beton-Fraktion

Verein zur Rettung der East Side Gallery ist auf der Suche nach Sponsoren fündig geworden. Mehrere Unternehmen wollen Sanierungskosten übernehmen. Eigenes Museum geplant  ■ Von Gunnar Leue

Hätte Berlin den Japanern 1990 freie Hand gelassen, hätte die Stadt heute möglicherweise ein Problem weniger – den Zerfall der East Side Gallery. Damals wollten einige finanzkräftige Mauer-Euphoriker aus dem Fernen Osten die monumentale Wende-Kleinkunst aus dem deutschen Osten gern auf die Weltreise schicken. In den großen Metropolen sollten die bunten Segmente Freizeitparks und Plätze zieren. Allerdings kam es nie dazu. Wer die Bilder einer staatlichen Trennungsgeschichte sehen will, muß sich weiterhin an die Spree begeben. Zwar steht die historische Kunstmeile in Friedrichshain seit dem 2. Oktober 1990 unter Denkmalschutz, aber das war's dann auch schon mit der Pflege durch die öffentliche Hand.

Weil die stille Auflösung des Kunst- und Zeitdokuments ungestört vorangeht, hatten sich im vergangenen Herbst zwei Dutzend Mauermaler von einst ihrer Altwerke angenommen. Mit finanzieller Unterstützung eines Berliner Gönners konnte sogar der Russe Dmitri Vrobel bewegt werden, den im innigen „Bruderkuß“ vereinigten Genossen Honecker und Breschnew frischen Lippenstift aufzutragen.

Die Künstler bezahlten ihre Reko-Malereien in der Regel selbst, bloß ein paar Passanten hatten spontan etwas beigesteuert. Mickrige 1.500 Mark flossen in den Spendentopf. Nicht einmal die Hauptstadt-Marketing GmbH, die in aller Welt mit der East Side Gallery für Berlin wirbt, hat eine Mark lockergemacht.

Trotzdem war der Frühjahrsputz ein Erfolg. Aufgrund der Berichterstattung meldeten sich einige potentielle Sponsoren für die Fortsetzung der Aktion in diesem Jahr. So hat ein renommiertes Großunternehmen aus der Stahlbaubranche seine Unterstützung angeboten (öffentlich outen will es sich erst, wenn die Sache beschlossen ist). Weiterhin will die auf Betonsanierung spezialisierte Firma LOBA aus Freiburg 100 Meter Mauer übernehmen. Interesse zeigt auch die im selben Gewerbe tätige Berliner ARBES GmbH, an einem Pilotprojekt ihr neues Sanierungsverfahren zu testen. Der Farb- und Fassadenspezialist Euracolor aus Hattingen in Nordrhein-Westfalen denkt ebenfalls daran, ein Teilstück in seine Obhut zu nehmen.

Insgesamt könnten auf diese Weise Millionenbeträge von privater Hand in die Sanierung fließen. Je nach Wetterlage Ende März oder Anfang April werden die aufwendigen Arbeiten wohl beginnen. Erst müssen die alten Illustrationen komplett gelöst, dann der Beton trockengelegt und von unten gegen Nässe geschützt werden. Nach dem Neumalen des Bildes ist eine Imprägnierung aufzubringen, die gegen Regen und das Spritzwasser der vorbeifahrenden Autos schützt.

Koordiniert wird das Vorhaben von einem Verein, der aus der „Künstlerinitiative East Side Gallery“ hervorging, die der Maler Kani Alavi ins Leben gerufen hatte. Mittlerweile gehören dem Verein zwei Dutzend Mauerkünstler und etwa zwanzig Fördermitglieder an. Sie wollen sich künftig auch verstärkt um die Spendenakquise kümmern. Die dazu notwendige Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt steht nach Auskunft von Vorstandsmitglied Günther Schäfer unmittelbar bevor. Schäfer, der sein Bild „Vaterland“ im September ebenfalls restauriert hatte, vermutet allerdings, daß der Neuanstrich des Kunstwalls manchem vielleicht wenig passe. Immerhin sei die Gegend ein lukrativer Baugrund.

Nach dem Bebauungsplan des Bezirks Friedrichshain sollen auf dem angrenzenden Gelände Wohnungen, u.a. für Bundestagsabgeordnete, entstehen. Auch die offiziell genannten 23 Millionen Mark Kosten für eine vollständige Restaurierung zweifelt Schäfer an. Das hält er für absichtlich zu hoch gerechnet, damit bei den von Steuern geplagten Bürgern die Akzeptanz für eine Sanierung sinkt.

Der Verein hat sich aber noch mehr als die Rettung der Mauerkunst vorgenommen. In ihrer Nachbarschaft soll ein East-Side- Gallery-Museum entstehen, das die ganze Geschichte der Kunstmeile und auch die Landschaft vor dem Mauerbau dokumentiert. Sponsoren aus der Wirtschaft haben schon Unterstützung für das Projekt signalisiert. Außerdem ist eine Ausstellung für die aktuellen Kunstprojekte der Mauermaler geplant.

Ein Teil der Verkaufserlöse soll auf das Spendenkonto der East Side Gallery gehen. Weitere Einnahmen erhofft man sich aus der konsequenten Durchsetzung der Urheberrechte. „Seit sechs Jahren wird mit den Mauermotiven gewildert“, erzählt Schäfer. „Das legendäre Trabi-Bild gibt's sogar auf Klodeckeln, ohne daß eine Mark an die Künstlerin fließt.“

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